facher technischer Proceduren entsprungen. Der erste Versuch zu schneiden
oder zu bohren; der erste Versuch, ein kleines Quantum färbender Sub-
stanz auf die Oberfläche eines Gegenstandes zu bringen, lässt auch schon
die. Elemente entstehen, welche, den Bedürfnissen der Organe des Ge-
sichtssinnes entsprechend gewählt und geordnet, zum schmtickenden Gebilde
werden. Linien und Liniensysteme, Punkte und Kreise, einzeln sowohl
als auch zu regelmäßigen Gruppen zusammengestellt und geraden Linien
oder regelmäßigen Curven folgend aneinander gereiht, Zickzacklinien etc.
finden sich häufig. Rhythmische Anordnung, Richtung andeutende Form,
symmetrische Gestaltung u. s. w. zeigt sich schon jetzt.
Unter den Versuchen, nachbildend die Erscheinung des sich phy-
sisch vor Augen Stellenden wiederzugeben, sind diejenigen besonders
zahlreich, welche sich gewisse Arten der Producte des menschlichen
Fleißes zum Vorwurfe nehmen, deren erstes Vorkommen außer allem
Zweifel nur auf Gründe der Utilität zurückzuführen ist! die gedrehte
Schnur, der geflochtene Zopf, alles Textile überhaupt. Solche Nachbil-
dungen, sowie die ältesten, kindisch-unbeholfenen Versuche, Darstellungen
von Wesen pflanzlicher oder thierischer Art schmückend zu verwenden,
finden wir gleicherweise den Gesetzen der Anordnung unterworfen, was
umsomehr in's Auge springt, als die Urbilder, wie schon früher ange-
deutet wurde, nur in der allgemeinsten Form erfasst und wiederzugeben
versucht werden. AeuBerst gering ist die Fähigkeit, Einzelnheiten zu
beobachten, dagegen die Lust zu schmücken so groß, dass die roh ge-
stalteten Menschen- und Thierfiguren, zierend verwendet, oft ihrerseits
wieder mit primitiven Ziermotiven bedeckt werden.
Die physiologisch zu begründenden Gesetze der Anordnung von
Form und Farbe sind mit dem ersten Versuche, Schmückendes und
Geschmücktes, Schöngebildetes und Verziertes zu schaffen, zur Geltung
gekommen und sie werden auch nur mit der Existenz des Menschen-
geschlechtes untergehen.
Sollte es nun nicht paradox klingen. wenn dennoch hier gesagt
wird, diese Gesetze seien nicht immer dieselben geblieben und würden
auch in Zukunft nicht dieselben sein? - Keineswegs! Denn nicht von
einer Veränderung des allgemein Giltigen kann die Rede sein, sondern
nur von der Verschiedenheit der Erkenntniss desselben sowie von einem
Wechsel des Besonderen; ferner von dem Grade der Verfeinerung der
zum Bewusstsein geförderten Mittel, die Forderungen des Auges zu be-
friedigen. Die Gesetze der Linienführung, der Distribution von Form und
Farbe, des Contrasles und der Harmonie der Farben bei fortwährend
sich vermehrenden Mitteln zur Erzielung einer reichen Scala, die Modi-
ficationen, welche die Ausübung jeglicher Kunstthätigkeit durch die Ein'
wirkung endlos sich fortsetzender Reihen technischer Errungenschaften
erfahren muss, die Rücksichten endlich, welche beim Schaffen der Kunst-
gebilde auf Zweck oder Bestimmung nothwendigerweise zu nehmen sind,