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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 3)

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schicksalschweren Jahren vor ihrer Hinrichtung, gemeinsam mit Madame 
Elisabeth gestickt worden ist. Einen Ehrenplatz hat ferner in der Section 
re uspective die Abtheilung des bekannten Wiener Sammlers Herrn 
Dr. Albert Figdor behauptet, von dessen Ausstellungsobjecten die Pariser 
Kritik das Urtheil gefällt hat, dass dieselben den clou, den Nagel dieser 
ganzen Section gebildet hätten. 
Von retrospectivem Standpunkte pflegen wir auch die Arbeiten 
einerseits der sogenannten tiationalen HLILISlDLllJSIFlC, oder sagen wir besser 
der Volkskunst, andererseits der exotischen Productionsgebiete, vornehm- 
lich des Orients, zu betrachten. In ersterer Beziehung hatte man von 
dem zweifellos interessantesten Staatsgebiete, das da in Frage kommt, 
von Oesterreich-Ungarn, ausgiebige Betheiligung erwartet. Aber gerade 
die an solchen Arbeiten reichere Reichshälfte, die ungarische, hatte über- 
wiegend Stickereien internationalen Charakters eingesandt, die allerdings 
eine höchst werthvolle Bereicherung der retrospectiven Abtheilung nach 
anderer Seite bedeuteten. ln der diesseitigen Reichshälfte war es das 
Lemberger Museum, das in ähnlicher Weise zwar prunkvolle Sticke- 
reien, aber wenig eigentlich Nationales eingesendet hatte. Dagegen 
war das böhmisch-mährische Gebiet von Prag aus mit einem eigenen 
Pavillon vertreten; von kroatisch-serbischen Arbeiten hatte das Agramer 
Museum eine gewählte Anzahl beigestellt. Eine Auswahl aus sämmt- 
lichen Gebieten Oesterreich-Ungarns, wo, sei es ein nationales Costüm, 
sei es eine eigenthümliche locale Textilkunsl existirt, hatte entsprechend 
seiner centralen Stellung und Aufgabe das Oesterr. Museum zur Aus- 
stellung gebracht, wobei es vom Olmützer slavischen Museum, den 
Herren v. Fedorowicz (Galizien), Dr. v. Zotta (Bukowina) u. A. düflkßllS- 
werthe Unterstützung gefunden hatte. 
Der eigentliche Orient, d. i. Westasien, war durch Beiträge des 
k. k. österreichischen Handelsmuseums sowie einiger privater Sammler 
vertreten. Einen sehr genussreichen Anblick gewährte die Exposition der 
französischen Colonialregierutig mit ihren Arbeiten aus Tonking. Dieser 
Reichthum an Farben und Formen, diese unendliche Abwechslung an 
Techniken, wie wir sie an den ostasiatischen Arbeiten zu schätzen gelernt 
haben, hier aber in sorgfältiger und geschmackvoller Auswahl zusammen- 
gestellt! Der Schmuck allein verdiente ein eingehendes Sonderstudium, 
ebenso eine Anzahl überraschender Steinschneidearbeiten. Figurenreiche 
Gemälde auf Seide schilderten das weibliche Leben in Ostasien. Weniger 
unmittelbares Kunstmaterial boten die übrigen Colonien, namentlich 
Afrika und Westindien. Da nahm man die Zuflucht zu den gewaltthätigsten 
Dehnungen und Streckungen des Programmes. Ein Reisenecessaire hatte 
z. B. Aufnahme gefunden, weil die Rohmaterialien, aus welchen sein 
Inhalt gefertigt war - Elfenbein, Schildkrot, Perlmutter - von den 
Colonien geliefert wurden. Da hätte man offenbar ebensogut Kaffee und 
Pfeffer ausstellen können. Mit etwas mehr Berechtigung hatte eine An-
	        
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