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schicksalschweren Jahren vor ihrer Hinrichtung, gemeinsam mit Madame
Elisabeth gestickt worden ist. Einen Ehrenplatz hat ferner in der Section
re uspective die Abtheilung des bekannten Wiener Sammlers Herrn
Dr. Albert Figdor behauptet, von dessen Ausstellungsobjecten die Pariser
Kritik das Urtheil gefällt hat, dass dieselben den clou, den Nagel dieser
ganzen Section gebildet hätten.
Von retrospectivem Standpunkte pflegen wir auch die Arbeiten
einerseits der sogenannten tiationalen HLILISlDLllJSIFlC, oder sagen wir besser
der Volkskunst, andererseits der exotischen Productionsgebiete, vornehm-
lich des Orients, zu betrachten. In ersterer Beziehung hatte man von
dem zweifellos interessantesten Staatsgebiete, das da in Frage kommt,
von Oesterreich-Ungarn, ausgiebige Betheiligung erwartet. Aber gerade
die an solchen Arbeiten reichere Reichshälfte, die ungarische, hatte über-
wiegend Stickereien internationalen Charakters eingesandt, die allerdings
eine höchst werthvolle Bereicherung der retrospectiven Abtheilung nach
anderer Seite bedeuteten. ln der diesseitigen Reichshälfte war es das
Lemberger Museum, das in ähnlicher Weise zwar prunkvolle Sticke-
reien, aber wenig eigentlich Nationales eingesendet hatte. Dagegen
war das böhmisch-mährische Gebiet von Prag aus mit einem eigenen
Pavillon vertreten; von kroatisch-serbischen Arbeiten hatte das Agramer
Museum eine gewählte Anzahl beigestellt. Eine Auswahl aus sämmt-
lichen Gebieten Oesterreich-Ungarns, wo, sei es ein nationales Costüm,
sei es eine eigenthümliche locale Textilkunsl existirt, hatte entsprechend
seiner centralen Stellung und Aufgabe das Oesterr. Museum zur Aus-
stellung gebracht, wobei es vom Olmützer slavischen Museum, den
Herren v. Fedorowicz (Galizien), Dr. v. Zotta (Bukowina) u. A. düflkßllS-
werthe Unterstützung gefunden hatte.
Der eigentliche Orient, d. i. Westasien, war durch Beiträge des
k. k. österreichischen Handelsmuseums sowie einiger privater Sammler
vertreten. Einen sehr genussreichen Anblick gewährte die Exposition der
französischen Colonialregierutig mit ihren Arbeiten aus Tonking. Dieser
Reichthum an Farben und Formen, diese unendliche Abwechslung an
Techniken, wie wir sie an den ostasiatischen Arbeiten zu schätzen gelernt
haben, hier aber in sorgfältiger und geschmackvoller Auswahl zusammen-
gestellt! Der Schmuck allein verdiente ein eingehendes Sonderstudium,
ebenso eine Anzahl überraschender Steinschneidearbeiten. Figurenreiche
Gemälde auf Seide schilderten das weibliche Leben in Ostasien. Weniger
unmittelbares Kunstmaterial boten die übrigen Colonien, namentlich
Afrika und Westindien. Da nahm man die Zuflucht zu den gewaltthätigsten
Dehnungen und Streckungen des Programmes. Ein Reisenecessaire hatte
z. B. Aufnahme gefunden, weil die Rohmaterialien, aus welchen sein
Inhalt gefertigt war - Elfenbein, Schildkrot, Perlmutter - von den
Colonien geliefert wurden. Da hätte man offenbar ebensogut Kaffee und
Pfeffer ausstellen können. Mit etwas mehr Berechtigung hatte eine An-