zeigt sich die Theilung und Anordnung des Gitters. Nichts ist zu plump,
nichts zu schwach gerathen. Weich und schmiegsam durchdringen sich die
zierlichen Voluten, lösen sich und vereinigen sich wieder in tändelndem
Spiel, ordnen sich an zu kräftigen, hochaufstrebenden Zügen, ausklingend
in rascher Bewegung wie in jubelnder Lustl Und das zierliche einfache
Blattwerk, welches dem Ganzen sich einfügt! Vom Windhauch bewegt
erscheint es dem Beschauer! Wir vergessen ganz, dass schwere Hammer-
schläge das sprühende Eisen so gestalten konnten, dass es uns wie ein
elastisches Gespinnst erscheint.
Wenig würde es heute den Verfertiger eines ähnlichen Objectes
fördern, wollte er seinen Entwurf zunächst mit Benutzung jener Formen
herstellen, welche aus den constructiven Entwicklungsgesetzen der Pflanzen
und der correspondirenden Bildung der Einzelheiten von Blatt und
Blüthe sich ergeben.
Weitaus am brauchbarsten erwiesen sich die gewonnenen Resultate
dieses Naturstudiums für die malerischen Fächer der Ornamentik, wie
überhaupt für jene Darstellungsweisen, bei welchen die nothwendiger-
weise zu berücksichtigenden bestimmenden Einflüsse des Materials und
der Technik in den Hintergrund treten. Ob sich aber gerade hier die
Beziehungen des Ausübenden zur neuen Richtung wirklich lebhaft ge-
stalten werden, ist noch keineswegs mit Entschiedenheit zu bejahen. Zwei
Umstände dürften hier bestimmend einwirken: Erstens wurde an den
Lehranstalten, auf deren Thätigkeit die wichtigsten Fortschritte der deco-
rativen Kunst während der letzten Jahrzehnte zurückzuführen sind, die
Bedeutung des Naturstudiums ohnehin stets als ein Cardinalpunkt in'sAuge
gefasst und durch die Praxis bethätigt. Für die Jünger dieser Institute
könnte es sich also in der Gegenwart höchstens um eine Modification der
Methode handeln, deren Nothwendigkeit nur in geringem Maße empfunden
wird. Zweitens befasst sich die neue Methode, so viel bis jetzt zu Tage
tritt, in erster Linie mit der Formengebung, ohne die Erörterungen des
so hochwichtigen coloristischen Princips damit in Verbindung zu bringen.
Der hauptsächlichste und größte allgemeine Nutzen aber, welchen
die mit so großem Eifer in's Leben gerufene Reform bringen wird und
muss, ist für den Ornamentiker in der Steigerung seines Bedürfnissen zu
suchen bei der Anwendung der Naturformen, insbesondere der pflanz-
lichen, der liebevollen intimen Durcbbildung des zu Schaffendeu seine
ganze Hingebung zu widmen, dabei aber doch den Bedingungen Rech-
nung zu tragen, denen jedes Kunstgebilde ohne Ausnahme zu unter-
ordnen ist; welche, in ihrer Bedeutung unverändert fortbestehend, in
ihrer Gesammtheit Das zum Ausdruck bringen, was wir im Allgemeinen
als den Stil bezeichnen. Den Stil, der nie das Ergebniss der Schafen;
kraft eines Einzelnen ist, der als etwas Lebendes sich weiter entwickelt
zugleich mit und in Folge der von Generation zu Generation sich ver-
mehrenden Ergebnisse der Erfahrung, - der Erfahrung, welche, so ein-
1.