Nr. 15/16
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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ten Autographen die gleichen Merkmale zeigen:
graugelbliches Papier, verblichene Tinte, eckige ge
kniffene Schrift. Das Papier war durch Kaffeewasser
gezogen, um es alt erscheinen l zu. lassen; der Tinte
hatte man durch Hinzusetzung von Eisenvitriol und
Sauerkleesalz einen „verblichenen Ton'* verliehen.
Der Schrift fehlte der charakteristische Schwung der
Schillerschen Handschrift; vielmehr verriet der Duk
tus der Fälschungen die eigenartige Schreibweise,
wie man sie vorzugsweise bei sächsischen Kanzlei
schreibern findet. Die gefälschten Manuskripte tru
gen ausnahmslos die volle Unterschrift
Friedrich Schiller. Der Dichter pflegte aber nur in
ganz seltenen Fällen mit vollem Namen zu zeichnen.
Die berühmten X e n i e n wiesen übernaupt kei
nen Autorennamen auf, da Goethe und
Schiller bei gemeinsamer Abfassung derselben ano
nym bleiben wollten. Die gefälschten Stücke hinge
gen enthielten den vollen Namen. Weiterhin betont
das Gutachten den Umstand, daß große Gedichte,
wie „Die Glocke", „Der Handschuh“ — oder ganze
Szenen aus „Wallenstein", „Die Räuber" usw. in
drei- und vierfacher Ausfertigung vorhanden
waren — ein Beweis für die fabriksmäßige Herstel
lung der Autographen. Denn es muß als ausgeschlos
sen angenommen werden, daß Schiller, selbst wenn
er seinen besten Freunden ein Geschenk machen
wollte, sich der mühevollen Arbeit unterzogen hätte,
große Teile seiner Dramen und Gedichte wiederholt
mit der Hand abzuschreiben. Eine nicht minder
starke Belastung für den Angeklagten Gerstenbe-rgk
stellte eine in seiner Wohnung aufgefundene Ver
kaufsliste dar, aus der u. a, hervorging, daß allein im
letzten Jahr an eine Reihe hochgestellter Persön
lichkeiten gefälschte Schillermanuskripte verkauft
worden waren; so an den Großherzog von Weimar,
an Prof. Griepenkerl aus Br.aunschhveig, an den
Oberbibliotheksrat Dr. Preller — und sogar an
die Tochter /Schillers, an die Freifrau Emilie
von Gleich en-Rußwurm. Letztere hatte für
die gefälschten Autographien ihres Vaters die statt
liche Summe voin 1419 Thüler verausgabt,
Als weiteres belastendes Merkmal und zugleich
als Charakteristikum, für Ger.stenbergks Fälscher
tätigkeit wird in der Anklageschrift am Schluß wört
lich ausgeführt:
„Dieser Betrug ist dem Umfange nach sehr weit-
getrieben worden, indem für eine reichliche Quan
tität und für eine sehr mannigfaltige Scala von Sor
ten und Preisen gesorgt wurde. Dieser Betrug hat
sich aber zum Frevel gegen die öffentliche Ehre
Weimars dadurch, daß er Weimars Literaturverhält
nisse weit, umher in Mißkredit gebracht hat und brin
gen wird, zum Frevel gegen das geheiligte Andenken
des edelsten und geliebtesten Dichters unserer Na
tion dadurch gesteigert, daß er (Gerstenbergik) sich
nicht entblößet hat, eigene Machwerke lie
derlichster Art für Original Produkte
MI#e Hestauvi&vum&en
Kunsikitterei FRANZ STIBITZ
Wien VII, Neubaugasse 17 - Telephon A~39~8~38
Schillers auszugeben und zu veranlassen, daß
die Ausgaben des großen Dichters mit diesem
Schmutz befleckt, würden . , ."
Vergeblich suchte der Angeklagte seine Unschuld
zu beweisen, indem er Zeugen nannte, von denen er
angeblich die gefälschten Manuskripte 'als Original-
Schillerhändischriften erworben haben wollte. Seine
Aussagen wurden geprüft und das Gericht kam zu
der Feststellung., daß sämtliche von Gerstenfoergk
angeführten Zeugen entweder schon lange gestorben
oder nicht auffindbar wären. Das Urteil erging sich
ausführlich über die Person und Handlungen des An
geklagten und: besagt u. a. m,:
„. . . daß die ganze Art und Weise des vorliegen
den Vergehens von. recht großer Geflissenheit und
Beharrlichkeit des verbrecherischen Willens zeugt,
weswegen auf zwei Jahre Strafarbeits
haus und Aberkennung der bürgerli
chen Ehrenrechte auf drei Jahre erkannt
wird,“
Die eingelegte Revision Gerstenbergks blieb er
folglos. Das Appellätionsgericht verwarf sie mit der
Begründung: da ferner der Angeklagte durch die
jahrelang in betrügerischer Absicht fortgesetzte An
fertigung unechter Schillerscher Autographien offen
bare Verdorbenheit des Willens an den Tag .gelegt
hat, so findet das gegen ihn erlassene Urteil seine
genügende Rechtfertigung."
Oktober-Auktion
Die Kunstabteilung des Dorotheum® in Wien ver
anstaltete am 11., 12, und 13. Oktober eine Versteigerung, die
sich auf Oelgemälde älterer und neuerer Meister,, Miniaturen,
Aquarelle, Handzeichnungsn, Graphik, Skulpturen, Porzellan,
Einriohtungsgegenstände, Metallarbeiten, Textilien, Glas, Japo-
nika, Waffen und Ausgrabungsobjekte erstreckte.
Bemerkenswerte Preise (in Schilling) erzielten dabei:
Gemälde,
6 Deutsch, Ende 18, J., Zwei Stillejben mit Früchten,
67:89 cm 100
8 Franzos, um 1660, Bildnis eines Abbes, 80:61 cm . . . 100
10 J, Christ, Jannec ,k, Christus am Brunnen, 28:22 cm 280
13 Oesterr,, 18, J., Petrus vor dem Statthalter, 75:96 cm 100
16 (Unbek. Maler nach J. Toorenvliet, Versuchung des hl.
Antonius, 44:34 cm 75
18 Vlämisch, 17, J., Kircheninneres, 34:47 cm 110
des Dorotkeums.
25 Robin C. Andersen, Obst-iStillehen mit blauer
Flasche 200
26 Barocker Maler, .2, Hälfte 18, J., Kopf eines Kavaliers,
43:35 cm 200
39 Jasienski, Landschaft, 48:77 cm 140
60 V a 1 e os t a, Stilleben, 57:79 cm 120
Skulpturen, 1, Teil,
188 Hl. Bischof, Holz, Stein, kärntnerisch um 1520 . . . 200
199 Zwei kniende Holzengel, Mitte 19. J 80
207 Kniende Priester auf Wolken, Holz, 18, J 80
Porzellan.
231 Zwölf Obstteller, Wien 1836 110
232 6 Teller, Schlaggenwald um 1850 30
242 Winzer und Win.zer.in, 1850, sächsich 32