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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 6)

Nr. 15/16 
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG 
Seite 123 
ten Autographen die gleichen Merkmale zeigen: 
graugelbliches Papier, verblichene Tinte, eckige ge 
kniffene Schrift. Das Papier war durch Kaffeewasser 
gezogen, um es alt erscheinen l zu. lassen; der Tinte 
hatte man durch Hinzusetzung von Eisenvitriol und 
Sauerkleesalz einen „verblichenen Ton'* verliehen. 
Der Schrift fehlte der charakteristische Schwung der 
Schillerschen Handschrift; vielmehr verriet der Duk 
tus der Fälschungen die eigenartige Schreibweise, 
wie man sie vorzugsweise bei sächsischen Kanzlei 
schreibern findet. Die gefälschten Manuskripte tru 
gen ausnahmslos die volle Unterschrift 
Friedrich Schiller. Der Dichter pflegte aber nur in 
ganz seltenen Fällen mit vollem Namen zu zeichnen. 
Die berühmten X e n i e n wiesen übernaupt kei 
nen Autorennamen auf, da Goethe und 
Schiller bei gemeinsamer Abfassung derselben ano 
nym bleiben wollten. Die gefälschten Stücke hinge 
gen enthielten den vollen Namen. Weiterhin betont 
das Gutachten den Umstand, daß große Gedichte, 
wie „Die Glocke", „Der Handschuh“ — oder ganze 
Szenen aus „Wallenstein", „Die Räuber" usw. in 
drei- und vierfacher Ausfertigung vorhanden 
waren — ein Beweis für die fabriksmäßige Herstel 
lung der Autographen. Denn es muß als ausgeschlos 
sen angenommen werden, daß Schiller, selbst wenn 
er seinen besten Freunden ein Geschenk machen 
wollte, sich der mühevollen Arbeit unterzogen hätte, 
große Teile seiner Dramen und Gedichte wiederholt 
mit der Hand abzuschreiben. Eine nicht minder 
starke Belastung für den Angeklagten Gerstenbe-rgk 
stellte eine in seiner Wohnung aufgefundene Ver 
kaufsliste dar, aus der u. a, hervorging, daß allein im 
letzten Jahr an eine Reihe hochgestellter Persön 
lichkeiten gefälschte Schillermanuskripte verkauft 
worden waren; so an den Großherzog von Weimar, 
an Prof. Griepenkerl aus Br.aunschhveig, an den 
Oberbibliotheksrat Dr. Preller — und sogar an 
die Tochter /Schillers, an die Freifrau Emilie 
von Gleich en-Rußwurm. Letztere hatte für 
die gefälschten Autographien ihres Vaters die statt 
liche Summe voin 1419 Thüler verausgabt, 
Als weiteres belastendes Merkmal und zugleich 
als Charakteristikum, für Ger.stenbergks Fälscher 
tätigkeit wird in der Anklageschrift am Schluß wört 
lich ausgeführt: 
„Dieser Betrug ist dem Umfange nach sehr weit- 
getrieben worden, indem für eine reichliche Quan 
tität und für eine sehr mannigfaltige Scala von Sor 
ten und Preisen gesorgt wurde. Dieser Betrug hat 
sich aber zum Frevel gegen die öffentliche Ehre 
Weimars dadurch, daß er Weimars Literaturverhält 
nisse weit, umher in Mißkredit gebracht hat und brin 
gen wird, zum Frevel gegen das geheiligte Andenken 
des edelsten und geliebtesten Dichters unserer Na 
tion dadurch gesteigert, daß er (Gerstenbergik) sich 
nicht entblößet hat, eigene Machwerke lie 
derlichster Art für Original Produkte 
MI#e Hestauvi&vum&en 
Kunsikitterei FRANZ STIBITZ 
Wien VII, Neubaugasse 17 - Telephon A~39~8~38 
Schillers auszugeben und zu veranlassen, daß 
die Ausgaben des großen Dichters mit diesem 
Schmutz befleckt, würden . , ." 
Vergeblich suchte der Angeklagte seine Unschuld 
zu beweisen, indem er Zeugen nannte, von denen er 
angeblich die gefälschten Manuskripte 'als Original- 
Schillerhändischriften erworben haben wollte. Seine 
Aussagen wurden geprüft und das Gericht kam zu 
der Feststellung., daß sämtliche von Gerstenfoergk 
angeführten Zeugen entweder schon lange gestorben 
oder nicht auffindbar wären. Das Urteil erging sich 
ausführlich über die Person und Handlungen des An 
geklagten und: besagt u. a. m,: 
„. . . daß die ganze Art und Weise des vorliegen 
den Vergehens von. recht großer Geflissenheit und 
Beharrlichkeit des verbrecherischen Willens zeugt, 
weswegen auf zwei Jahre Strafarbeits 
haus und Aberkennung der bürgerli 
chen Ehrenrechte auf drei Jahre erkannt 
wird,“ 
Die eingelegte Revision Gerstenbergks blieb er 
folglos. Das Appellätionsgericht verwarf sie mit der 
Begründung: da ferner der Angeklagte durch die 
jahrelang in betrügerischer Absicht fortgesetzte An 
fertigung unechter Schillerscher Autographien offen 
bare Verdorbenheit des Willens an den Tag .gelegt 
hat, so findet das gegen ihn erlassene Urteil seine 
genügende Rechtfertigung." 
Oktober-Auktion 
Die Kunstabteilung des Dorotheum® in Wien ver 
anstaltete am 11., 12, und 13. Oktober eine Versteigerung, die 
sich auf Oelgemälde älterer und neuerer Meister,, Miniaturen, 
Aquarelle, Handzeichnungsn, Graphik, Skulpturen, Porzellan, 
Einriohtungsgegenstände, Metallarbeiten, Textilien, Glas, Japo- 
nika, Waffen und Ausgrabungsobjekte erstreckte. 
Bemerkenswerte Preise (in Schilling) erzielten dabei: 
Gemälde, 
6 Deutsch, Ende 18, J., Zwei Stillejben mit Früchten, 
67:89 cm 100 
8 Franzos, um 1660, Bildnis eines Abbes, 80:61 cm . . . 100 
10 J, Christ, Jannec ,k, Christus am Brunnen, 28:22 cm 280 
13 Oesterr,, 18, J., Petrus vor dem Statthalter, 75:96 cm 100 
16 (Unbek. Maler nach J. Toorenvliet, Versuchung des hl. 
Antonius, 44:34 cm 75 
18 Vlämisch, 17, J., Kircheninneres, 34:47 cm 110 
des Dorotkeums. 
25 Robin C. Andersen, Obst-iStillehen mit blauer 
Flasche 200 
26 Barocker Maler, .2, Hälfte 18, J., Kopf eines Kavaliers, 
43:35 cm 200 
39 Jasienski, Landschaft, 48:77 cm 140 
60 V a 1 e os t a, Stilleben, 57:79 cm 120 
Skulpturen, 1, Teil, 
188 Hl. Bischof, Holz, Stein, kärntnerisch um 1520 . . . 200 
199 Zwei kniende Holzengel, Mitte 19. J 80 
207 Kniende Priester auf Wolken, Holz, 18, J 80 
Porzellan. 
231 Zwölf Obstteller, Wien 1836 110 
232 6 Teller, Schlaggenwald um 1850 30 
242 Winzer und Win.zer.in, 1850, sächsich 32
	        
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