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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 7)

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und Glätten erhält ein solches Gussstück weiters seine kunstgemäße Voll- 
endung. Bezüglich der Formgebung des eben vorgeführten Kännchens 
werden wir kaum irren, wenn wir sie als identisch mit jener des gleichen 
Gegenstandes aus Silber annehmen, welche unser Meister in einem anderen 
Capitel der Schedula lehrt. Wir haben uns den Gefäßbauch von rund- 
licher Form zu denken, mit einem schlanken Halse versehen, ferner mit 
einem Ohrhenkel und einem geraden Ausgussrohr. Mit Rücksicht auf die 
angegebene Länge der Drehspindel sind wir in der Lage, die Höhe des 
Kännchens mit 10-12 Centimeter anzugeben. Bemerkenswerth erscheint 
der Mangel jeglicher Andeutung einer Zierform, eines plastischen oder 
gravirten Ornaments der zinnernen Ampulla, während bei der silbernen 
auf die Eventualität einer reichen Ausstattung mit Bildwerk getriebener 
Arbeit hingewiesen ist. Als Ziermittel selbst jedoch, für andere Materialien 
verschiedener Art, weiß man in der Klosterwerkstatt das Zinn gar treff- 
lich zu benützen. Doch ginge es nicht gut an, auf derlei Arbeiten an 
dieser Stelle Rücksicht zu nehmen, da dies von dem ins Auge gefassten 
Gegenstande, der Zinnarbeit als solcher, zu weit abführen würde. Wenn 
wir von Theophilus scheiden, so muss uns, wie immer wenn er uns Auf- 
klärung verschafft, das Gefühl der Dankbarkeit für jene Fürsorge durch- 
dringen, mit welcher der demüthige Künstler seine Erfahrungen auf uns 
überträgt, aus Furcht als ein unnützer Knecht zu erscheinen, wie jener 
Verwalter im Evangelium, welcher die ihm anvertraute Summe nicht 
nutzbringend verwendete. 
Die erhaltenen spärlichen Objecte, welche für die Zinnbearbeitung 
in der unmittelbar auf die Entstehungszeit der Schedula folgenden Periode 
zeugen, beschränken sich zumeist auf jene in den Gräbern kirchlicher 
Würdenträger gefundenen Krummstäbe und Kelcheä), welche, in der ein- 
fachsten Form hergestellt, vielleicht auch vergoldet, nur dem Zwecke des 
funerären Cultus dienten. 
Forschen wir nach der Epoche der allgemeinen Verbreitung der 
Zinnarbeiten im christlichen Mittelalter, so sehen wir, dass dieselbe mit 
der Entwicklung der gothischen Kunstweise zusammenfällt. 
Wahl und Durchführung der Objecte werden zunächst durch den 
Umstand beeinflusst, dass die Kunst nicht mehr ausschließlich ihre beste 
Pflege innerhalb der Klostermauern findet, sondern, den Bedürfnissen 
der Laienwelt sich anpassend, von Laienhand ausgeübt, gedeiht. 
Außer einem solchen, die Kunstübungen im Allgemeinen umbildenden 
Verhältnisse, welches hauptsächlich durch die gesunde, thatkräftige Ein- 
wirkung des emporblühenden Bürgerthums zum Ausdruck kommt, ist es 
noch ein weiterer Umstand von höchster Bedeutung, welcher gerade der 
von uns betrachteten Kunstübung ein rasches Gedeihen ermöglichte. 
Vom r3. Jahrhundert an hatte man es im Centrum des europäischen 
5) Näheres bei Bnpst, n. a. O. p. wo.
	        
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