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müssen, mit jenem reiner Lehrmittelsammlungen und bedenkt nicht, dass erstere berufen
sind, das authentische Material, soweit es nur immer zur Erforschung abgelaufener
Kunstperioden beitragen kann, systematisch zu sammeln, zu schützen und zu erhalten.
Nur noch wenige Worte über die Art, wie Kimbel den Zeichenunterricht gehand-
habt wissen will. Die Principien, welche ihn hiebei leiten, sind einfach genug. Der rein
empirischen Aneignung eines gewissen Grades von Fertigkeit in der Nachbildung ge-
schauter Dinge legt er als Grundlage den größten Werth bei. Bei dem im siebenten
Lebensjahre stehenden Kinde beginne der Unterricht in der Volksschule. Das was über
diesen ersten Zeichenunterricht gesagt werden kann - der Verfasser halt schon vier-
jährige Kinder in dieser Richtung für entwickelungsfähig - lasst sich strenge genommen
in die Worte zusammenfassen: Man lasse die Kinder zeichnen, wozu sie Lust haben, und
sei mit dem, was sie leisten, zufrieden. ln der That ist auch eine solche -Methodeu noch
immer besser als eine - langweilige, lediglich etwa als Augen- und Fingerübung zu
betrachtende. Doch auch eine solche Uebung wird langweilig und ist obendrein nutzlos,
wenn sie bis in die Lehrlingsjahre hinein betrieben wird, sei es auch, dass nunmehr
bezüglich der Auswahl der zu zeichnenden Gegenstände Rücksicht auf den Beruf des
Schülers genommen wird. So eindringlich auch die Heißige Schulung von Auge und
Hand durch Herstellung perspectivischer Freihandzeichnungen anzuempfehlen ist, so
reicht doch insbesondere der Gewerbetreibende damit nicht aus. Der Verfasser erklsrt, ndas
perspectivische Freihandzeichnen hat den Zweck, dem Schüler die Schattenlehre prak-
tisch zu eigen zu mache n-. Einige wenige und einfache Constructionsregeln würden
diesen Zweck mächtig fordern. Möge sich der Verfasser auch überzeugt halten, dass
dieses Stück Mathematik keineswegs zu fernliegend ist und die Gelegenheit, die Ur-
sache einer Erscheinung zu erkennen, mindestens ebensoviel Befriedigung und weitere
Anregung gibt, als das Bewusstsein des Zweckes einer Arbeit, welches als eine starke
Triebfeder gepriesen wird. Auch beim Schreiben ist nicht, wie der Verfasser der Meinung
ist, das Bewusstsein des Zweckes ein Forderungsmittel, sondern lediglich die Gewöhnung
an die in zahlloser Wiederholung hergestellten Striche, welche einer Gruppe von Formen
beschränkter Anzahl angehören. Ganz ohne die Lehrsatze der darstellenden Geometrie
kann der Verfasser doch wohl selbst nicht auskommen, wenn er, wie er es thut, Werk-
zeichnungen mit genauen Maßen anfertigen lasst, mach denen man arbeiten kann-i. Oder
sollte er wirklich anempfehlen, Grund- und Aufriss, Durchschnitte u. s. w. nur gewisser-
maßen dem Gefühle nach herzustellen?
Bei jenen gewerblichen Erzeugnissen, wie sie in den ersten Jahrzehnten unseres
Jahrhunderts nach französischem Muster angefertigt wurden, den Arbeiten des Empire-
stiles, welchen der Verfasser beschreibt '), ohne sich jedoch selbst dafür sonderlich zu
erwärmen, kann man freilich ohne viel Theorie sein Auskommen gefunden haben. Aber
er selbst schreibt ja: vDie Bewegung (der Sechziger Jahre) griä machtig in's Handwerk
und mit dieser Regung war es auch natürlich, dass die mit dem Berufe parallel
laufende Schulung eine andere als die bisherige sein mussten Dieser theo-
retischen Schulung will aber der Verfasser so viel jals möglich aus dem Wege gehen,
auch bei der Erörterung der Stilfrage im Allgemeinen, bezüglich welcher die Broschüre
nur spärliche Andeutungen gibt. Auch bei der besonders erwähnten französischen Kunst-
weise aus den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts werden als Vorzüge nur die hand-
werkliche Vollkommenheit und reinliche Ausführung besonders hervorgehoben, deren
Ursachen mit den Stileigenthümlichkeiten hier nichts zu schaffen haben. M-t.
Bibliographie des Kunstgewerbes.
(Vom 15. August bis 15. September 1893.)
I. Technik u. Allgemeines. Aesthetik. Büchner, G- Einiges "ß d" Chemie der
Kunstgewerblicher Unterricht. l'lr;'ä:ifvi':_i2bi";:3'- (BWW "dßm"
Beiträge zur Geschichre dcr deutschen ln- Cnmpbell, G. E. lndoor Venice. (The Art
dustrie in Bchmen. Hernusg. vom Verein Jourm, Sept.)
f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen. I u. II. Cappliez. Histoire des metiers de Valen-
XX, 133 S. u. 152 S. Prag, H. Domenicus. ciennes et de leur sninls patrons. Avec ill.
M. 2'441 u. 3-60. . 5'-Xl-336 p. et grav. Valenciennegüiard.
') Es pnssirx dem Verfasser hier der lrrthum, dass er dem Empirestil einen
däestauraüonuxil- vorausgehen Ilsst.
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