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natürlichen Ordnung sei; was unnatürlich, seelenlos ist, kann daher nie
christlich sein und wird niemals den Forderungen der Kirche Christi
entsprechen. Das wahrhaft Christliche ist auch das Leben gebende und
nicht Carikirende und gerade die Kirche stellt die höchsten Anforderungen
an die wahre Kunst. Es ist darum ein Hohn auf die vorgeschützte christ-
liche Auffassung, was man, an missverstandenen Zeichen einer äußerlichen
Frömmigkeitsform hängend, sowohl in unseren reich assortirten nchristlichen
Kunstlädenu wie leider auch schon in den Kirchen so sehr zu sehen
gewöhnt ist. Ja nicht erst einmal wurde eine wirklich künstlerische, indi-
viduell aufgefasste Darstellung, weil sie dem vermeintlichen Typus nicht
entsprach - für nicht religiös und unkirchlich gehalten! Dieser zur heil-
samen Charakteristik nöthige Vorwurf der Geschmacksverbildung auf
der einen Seite wird freilich, wenigstens für die Zukunft, durch die That-
sache gemildert, dass kaum irgendwo so viel für die kirchliche Kunst und
die Kenntniss ihrer Formen geschieht wie bei uns.
Ebensowenig darf aber auch eine andere, für dieses Gebiet verhängniss-
volle Beobachtung an unserer Künstlerwelt verschwiegen werden. Gleich
unbestreitbar als kaum verständlich bleibt es, dass sich ein für kirch-
{iche Zwecke arbeitender Künstler um die Bedürfnisse, Vorschriften oder
Traditionen der Kirche theoretisch wie praktisch nicht kümmert. In Wien
haben wir eine Kirche, welche für den Gottesdienst am Altar wie für die
Predigt so gut wie unbrauchbar ist. Es mag überraschend klingen, das
diejenigen Kirchenbesucher, welche dem Hochaltar im Hauptschilie am
nächsten sitzen von demselben am wenigsten sehen, ist aber ebenso richtig
wie dass in demselben Gotteshause die Schallwellen des Predigers ein
derartiges Interesse für die reichverzierte Kuppel und die genial geglie-
derten Umgangsgewölbe haben, dass man die Predigt eigentlich nur sehen,
nicht aber hören kann. In der jüngten Zeit wurde ein Altarbau dem öffent-
lichen Zwecke - ich sage absichtlich nicht Gebrauche- übergeben, dessen
abstoßende, schleuderhafte Ausführung und Eintheilung alle kirchlichen
berechtigten Anforderungen einfach ignorirt. Es braucht nicht erst be-
wiesen zu werden, dass durch ein solches Vorgehen das Vertrauen
zwischen Clerus und Künstler nicht wächst, wohl aber die für beide
Theile traurigen praktischen Folgerungen der Entfremdung sich steigern.
Es mag freilich auch der inneren Abkehr der Geister von den Idealen einer
übernatürlichen Ordnung überhaupt zuzuschreiben sein, dass auch außer-
halb der Kirchenmauern angeblich religiöse Werke des Meißels oder Pinsels
die gähnende Kluft nur deutlicher machen. Doch nicht von dieser übel-
verstandenen und noch weniger von der materialistischen oder antireli-
giösen Tendenzkunst haben wir zu sprechen. Die der Kunst eingeborenen
innersten Gesetze werden von selbst die consequente Erreichung dessen,
was der Naturalismus anstrebt, unmöglich machen. Nicht von dieser inner-
lichen Freiheit und zugleich Gebundenheit der Kunst an sich (so sehr
auch die besondere Gottähnlichkeit künstlerischen Schaffens anziehen mag),