ZU
sollen wir sprechen, sondern, dem engeren Thema treu, behandeln wir ein
mehr äußerliches Verhältniss: Ob und in wie ferne der Architekt,
Bildhauer, Maler und selbst das Kunstgewerbe an Gesetze
kirchlicher Autorität gebunden sind.
Ganz abgesehen vom göttlichen Rechte, wäre es unbillig, der Kirche
eine natürliche Befugniss zu versagen, welche auf profanem Gebiete jeder
Besteller hat: seine Wünsche zu determiniren. Ein Theaterbau richtet
sich genau nach Bedürfniss und Erfahrung - ja sogar nach sicherheits-
polizeilichen, nicht immer kunstfördernden Anordnungen. Sollte allen
pädagogischen und hygienischen Ansichten entsprochen werden, würde
bald die richtig construirte Schulbank zu den unerreichbaren Idealen
zählen. Da dürfen gewiss auch wir nicht erröthen, wenn wir um so mehr
für den erhabenen Dienst und auserlesenen Schmuck des Altars Vor-
schriften betonen, die so alt sind wie die Kirche selbst. Traditionen, schon
aus der apostolischen Zeit, streng formulirte Vorschriften und wiederum
ausdrückliche Anerkennung der Formenfreiheit: Alles aber lebendig und
organisch entstanden, nicht todte byzantinisch-starre Formen! Die anschei-
nende Systemlosigkeit ihres Entstehens, besonders bei den geschriebenen
diesbezüglichen Gesetzen, zeigt, wie sie gerade durch das Bedürfniss oder
einen Zweifel in der Praxis und eine daraufhin erfolgte Anfrage bei der
kirchlichen Behörde hervorgerufen wurden. Die katholische Kunsttradition
stand immer in Fiihlung mit der allgemeinen Entwickelung der Kunst und
hat nie, wie in der russischen Kirche, die lebendige Volksseele als ein
feindliches Element betrachtet. Das Verhältniss zwischen Form und Norm
soll nie zu hieratischer Unbeweglichkeit führen. Nirgends wird durch
unsere Vorschriften das eigentlich künstlerische Wesen, die stilistische
Form alterirt. Es handelt sich mehr um die Anordnung der Formen, um
die Zweckmäßigkeit der Gestaltungen, um die schon durch das kostbare
Materiale symbolisirte Erhabenheit des Cultus; nirgends aber hat der
Künstler in seinem edelsten Streben ein unkünstlerisches Hemmniss oder
gar einen unwürdigen Sclavendienst zu fürchten. Schon deshalb nicht,
weil die Kunst, in ihrem innersten Wesen tief religiös, von jeher eine
Freundin der Religion war. Wäre es möglich, dass alle Religion zu Grunde
ginge und dass die Kunst den Untergang der hehren Freundin überdauere
- sie würde dieselbe wohl nicht ersetzen können, aber gewiss würde sie,
die Enkelin Gottes nach Dante's Wort, das Bedürfniss, über die Natur
uns thatsächlich zu erheben, erhalten. Einen principiellen Widerspruch
zwischen künstlerischen und liturgischen lnteressen kann es darum eben-
sowenig als zwischen Religion und Kunst geben. Das Kunstschöne besteht
in der lebendigen Harmonie zwischen ungebundenem Leben und strengster
Ordnung; auch das kirchlich Schöne und liturgisch Richtige ist eine solche
lebendige Harmonie, deren beide Pole sind: künstlerisch reifste Form
einerseits und Geist der Liturgie oder ausdrückliche Vorschrift der Kirche
andererseits. (Fortsetzung folgt.)