diesen Dingen das zu sein, dass auch die Kunst, wie alles Irdische --
absoluter Freiheit entbehre.
Beim unbefriedigenden Ausklingen der Antike setzt nun das Christen-
thum ein und nimmt willig in seiner Kunst die Schönheitsfarm griechisch-
römischer Bildung auf: für seine Bauten, Sculpturen, Katakombenmalerei,
die Kleinkunst und liturgische Kleidung, in welch' letzterer sich Tunica
und Pallium, Senatoren- und Consulenabzeichen in mehr oder weniger
veränderter Form bis heute erhalten haben. Und wenn unser großer
Fübrich die griechischen Götter gewissermaßen Prophezeiungen der
Menschwerdung nennen darf, hat er damit das antike, historisch-sym-
bolische Fundament für die christliche Idee vom göttlichen Berufe
wahrer Kunst ausgesprochen. Schon durch das Hinzutreten verklärter
Schönheitsfarm erhält die Materie eine höhere Weihe und wird im
Christenthum für den Dienst des wahren Gottes und durch denselben
geheiligt, nconsecrirtu und dem profanen Gebrauche entzogen. Auf diese
principielle Auffassung stützt sich das praktische Vorgehen der Kirche,
wenn sie ihre, nunmehr näher zu behandelnden Vorschriften, traditionellen
Forderungen und Wünsche dem Künstler gegenüber geltend macht. Wie
dieses Princip also nicht auf einem Gegensatze sondern geradezu auf
dem wechselseitigen Bedürfniss zwischen Religion und Kunst beruht,
kann auch in der Praxis durchaus kein Gegensatz bestehen; ja wich-
tige Detailfragen, besonders der Architekturgeschichte und der kirchlichen
Kleinkunst (Veränderungen der Choranlage, Altarformen, Entwickelung
der Monstranze etc.), sind ohne Rücksicht auf die Umbildungen der
Liturgie nicht zu verstehen. Die Geschichte der Liturgie ist vielfach
geradezu der Leitfaden in der Architekturgeschichte.
Geschriebene und ungeschriebene Quellen sind es, aus denen
die liturgischen Gesetze fließen. Zu den ungeschriebenen gehören die
wissenschaftlich nachweisbaren Traditionen in der Baukunst, in der Sym-
bolik, in der Formenentwickelung jeder Art. Mehr an locale Grenzen
gebunden, werden die Traditionen richtiger Gewohnheit, consuetudo
vigens genannt und bilden eine überaus wichtige Quelle liturgischen
Rechtes. Diese Ueberlieferungen oder Gewohnheiten spielen in der
Kirche, wie in ihrer gesammten Rechtsordnung so auch beim Gottes-
dienste und seiner Kunst eine große Rolle und mit Recht. Auf dem
Wege des factischen Gebrauches, in engeren oder weiteren Kreisen ein-
geführt, sind sie vielfach durch ausdrückliche kirchliche Gesetzgebung,
wie z. B. in den Bullen und Bestimmungen Pius V. oder Benedict XIV.
schließlich zur allgemeinen verpflichtenden Rechtsnorm erhoben worden.
Der Werth einer Tradition ist selbstverständlich ein um so größerer,
je mehr dieselbe dem apostolischen und katholischen Charakter der
Kirche entspricht, das heißt, je ungetrübter sie auf apostolische Anordnung
zurückgeht, je älter sie ist; aber auch je leichter und allseitiger der
Geist einer solchen selbst den modernsten Bedürfnissen anbequemt werden
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