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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 3)

Die Mitte des Jahrhunderts mag ungefähr die Grenze bezeichnen, 
bis wie lange speciell in Florenz die antikisirende und naturalistische 
Richtung noch nebeneinander angetroffen werden. 
lrn Jahre 1444 begann Bernardo Rossellino, ein Schüler Dona- 
tello's, die Ausführung des Grabmales des Leonardo Aretino in 
S. Croce. So verdienstvoll dieses Werk in Bezug auf die architektonische 
Disposition ist und nach dieser Richtung auch mit vollem Recht auf lange 
Zeit als Muster galt, so lässt sich doch nicht in Abrede stellen, dass es 
hinsichtlich des decorativen Details an einer fast reizlosen Trockenheit 
leidet. Blätterkränze fallen zu beiden Seiten des Wappens herab, welches 
das Grabmal bekrönt, Blätterkränze zieren den Fries der Archivolte, 
Blumenguirlanden schmücken den Sockel, aber alle diese Gebilde sind 
wohl mit schematischer Correctheit, jedoch sichtlich freudlos behandelt. 
Auch die beiden großen Adler, die Stützen der Bahre, auf welcher 
Leonardo ruht, zeigen kein directes Naturstudium. 
Kurze Zeit darauf führte Desiderio da Settignano in derselben 
Kirche das Grabmal des Staatssecretärs Carlo Marzuppini aus, der 14.55 
gestorben war. lm Aufbau, in der architektonischen Disposition, hält sich 
Desiderio genau an das Schema, das sein Vorgänger geschaffen. im Detail 
zeigt sich aber in jeder Linie der auf das Liebliche und Anmuthige, 
Lebendige und decorativ Wirksame gerichtete Sinn dieses Künstlers. 
Zwei prächtige Guirlanden, herabfallend vom obersten Gipfel des Grab- 
mals, an henkelartigen Ansätzen eines Kandelabers befestigt, der den 
Scheitel des Bogens bekrönt, und in ihrer halben Länge von Putten 
unterstützt, bilden den äußeren Abschluss des Baues und lassen die 
starren Linien der Architektur gleichsam in bewegtes Leben ausklingen. 
lm vertieften Fries des Bogens liegt ein prächtiger, in einzelne Büschel 
abgebundener Kranz von Früchten. Am Sockel sehen wir ebenfalls zu 
beiden Seiten einer Mittelvase mit Blumen naturalistisch behandelte 
Blüthengehänge. Der prächtigste Schmuck bleibt aber dem Kern der An- 
lage, dem Sarkophag, vorbehalten. Hier entwickeln sich an beiden Ecken 
der Langseite, aus Löwenpranken emporsteigend, Akanthusranken voll Kraft 
und Leben. Nach innen wie nach außen treiben sie reizende Blüthen, die 
einen sich an die lnschrifttafel in der Mitte des Sarkophages anschließend, 
die anderen wie Voluten eines jonischen Capitäls in freier Arbeit an den 
Ecken heraustretend. ln der Mitte zwischen den zwei Löwenpranken 
stützen ein Paar schwungvoller Adlerschwingen zur Seite einer Muschel 
den Sarkophag. Auch dieses Gefieder ist, im Gegensatze zu dem an den 
Adlern Rossellinds, höchst lebensvoll behandelt. 
Hier sehen wir eines der ersten Beispiele der Einwirkung des Na- 
turalismus auf die Wiedergabe antiker Motive, und erkennen es deutlich, 
wie die Renaissance erst auf dem Wege der Rückbildung dieser Formen 
in das ursprüngliche vegetabilische Vorbild zu solclf vollkommener Freiheit 
in der Verwendung dieser Zierformen gelangen konnte. Von diesem Ge-
	        
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