Ein Wort muss noch über den wichtigsten Gegenstand der kirch-
lichen Inneneinrichtung, dessen ideale Grundformen, Zweck und Bedeutung
durch künstlerisches Missverständniss viel leiden, gesagt werden: den
Altar. Die überraschend einfache Hauptsache an demselben, welche immer
und klar betont sein muss, ist erstens der Altarunterbau, in Tisch-
oder Grab-(Sarkophag-)form auszuführen; weiters ein großes, für den
Priester wie das Volk bequem sichtbares Kreuz und durchschnittlich
sechs, wenn es angeht pyramidenartig gegen das beherrschende Kreuz
hin aufsteigende Leuchter. Alles Andere: Hochbau oder Ueberbau ist
Zugabe und dem Erwähnten untergeordnet. Eine Schwierigkeit liegt für
Sacramentsaltäre aber nur bei diesen darin, das Tabernakel so anzu-
bringen, dass es nicht als nebensächliches Fußgestell für das liturgisch
nothwendige Kreuz erscheine, letzteres aber doch deutlich sichtbar bleibe.
Der dogmatisch-symbolische Zweck des Kreuzes ist, die ldee der Er-
neuerung des Kreuzesopfers wach zu erhalten. Auf jeden Seitenaltar ein
Tabernakel oder auch nur ein Tabernakelmotiv anzubringen ist unrichtig.
Liturgisch zulässig ist es, den Altarunterbau, besonders der Tumbaform,
nach Art der altchristlichen Fenestella durchbrochen zu machen, so dass
an hohen Festen ein darin befindliches Reliquiar sichtbar erscheine. Es
gäbe das auch neue und gewiss vortheilhafte Motive. Die gegenwärtig
seltenen, aber schon ihrer reichen Mannigfaltigkeit wegen günstigen
Reliquiarien könnten als Altarschmuck zwischen den Leuchtern verwendet
werden. Doch könnte über alle hieher gehörigen Detailfragen, wie über
Paramentik und alle anderen Gebiete eine Fluth von Vorschriften ange-
führt werden. Für die Paramentik möchten wir als Grundgedanken nur
hervorheben, dass die kirchlichen Kleider bei aller Kirchlichkeit Kleider
sein sollen, nicht steife Bretter oder eine wandelnde Bildergalerie - auch
nicht eitles Spinngewebe, der alten clavi unserem Spitzenübermaß gegen-
über gar nicht zu gedenken. Die Stoffe sollen echt, nicht halbseidene oder
noch geringere sein - wie viel wäre hierin von der österreichischen Kunst-
industrie zu leisten!
Es möge für heute genügen, auf die Existenz kirchlicher Vorschriften
und die Art, wie sie aufzufassen, hingewiesen und gezeigt zu haben, dass
die künstlerische Freiheit und kirchliche Gesetzmäßigkeit keine Gegensätze
bilden, sondern dass kirchlich freie Formen künstlerische Strenge voraus-
setzen. ln den zahlreichen Vorschriften spricht sich ein überaus feiner
Sinn für das ästhetisch Richtige aus, in Verbindung mit taktvoller Rück-
sicht auf das historisch Gewordene. Es genügt, wenn wir erkannt haben,
dass die Pfuschwaare mit der gefälschten Legitimation der nKirchlichkeitl
das Heiligthum betreten. Verjagen wir dieselbe nach dem Beispiele dessen,
der das Gotteshaus nicht in eine Speculationshalle verwandelt wissen wollte!
Eröffnen aber unsere Künstler und Kunstgewerbetreibenden ihr Ver-
ständniss den kirchlichen Vorschriften und was mehr ist, dem Geiste der-
selben, dann wird sich ihnen von der Kathedrale bis zur letzten Gebirgs-