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Dieses Lohnwerk ist eine Zwischenstufe zwischen Hausiieiß und Hand-
werk. Hausfleiß ist es nicht mehr, denn in diesem Falle müsste der Be-
steller des Kilim nicht blos den Rohstoff geliefert, sondern auch die voll-
ständige Verarbeitung desselben zum fertigen Teppich selbst durchgeführt
haben. Handwerk ist es dagegen noch nicht, weil der Teppichweber nur
das Gewebe verfertigt, nicht aber den Rohstoff beschafft, den der Be-
steller liefert, und zwar selbsterzeugten Rohstoff. Das wirthschaftliche
System, nach welchem die ruthenischen Teppiche verfertigt werden,
bedeutet also die zweitniedrigste Stufe der wirthschaftlichen Entwickelung
überhaupt, was gewiss nicht minder als Beweis für ein hohes Alter dieser
Production gelten darf. '
Es erübrigt noch die Beschreibung des dritten Punktes: Farbe und
Muster der podolischen Teppiche. Von der Farbe ist irn Allgemeinen
zu sagen, dass wir die tiefen und satten Töne der orientalischen und
auch der syrmischen Kilims an den podolischen großentheils vermissen.
Der sarmatische Landrücken mit seinem langen und rauhen Winter und
den häufigen Nebeln zählt bereits in höherem Grade zu Nord- als zu
Mitteleuropa, und dieser Umstand verräth sich wie überall so auch hier
in der herabgestimmten, in's Graue hinüberneigenden Färbung. Die
Farbmittel waren in früheren Zeiten auch in Galizien hauptsächlich vege-
tabilischer Natur; in der letzten Zeit ist der Gebrauch chemischer Farben
allgemein eingerissen, weshalb ein neuerer Kilim von einem älteren sofort
auf den ersten Blick unterschieden werden kann. Ganz ähnlich war der
Process bekanntlich in den Gebieten der südslavischen Kilirnproduction,
wie Kränjavi im Jahre l88l zu berichten wusste. Auch die Folgen waren
da und dort gleich unerfreuliche. Eine heilsame Reform in der Farb-
gebung war deshalb eines der Hauptziele, die sich der um die Hebung
der modernen podolischen Teppichproduction hochverdiente und fort-
dauernd um dieselbe bemühte Herr Ladislaus von Fedorowicz bei Grün-
dung seiner Kilimschule in Okno gesetzt hat.' Was die älteren Kilims
betrilft, so wechselt an denselben der farbige Charakter genau entspre-
chend den verschiedenen localen Gebieten, denen sie entstammen. Da
aber in Dingen, die mit dem Colorit zusammenhängen, mit bloßer Be-
schreibung ohne Demonstration farbiger Proben Nichts gedient ist, wollen
wir die innerhalb der podolischen Teppiche zu unterscheidenden localen
Gruppen ausschließlich nach der Art ihrer ornamentalen Ausstattung zu
charakterisiren suchen.
ln Bezug auf das Muster der podolischen Kilims lässt sich blos
ein Umstand als allgemein giltig herausheben: die Abwesenheit eines
jeglichen animalischen Elementes. Während an den südslavischen Tep-
pichen insbesondere Vögel zu den beliebten Verzierungsmotiven zählen,
ist mir an podolischen Teppichen bisher weder das Bild eines Menschen
noch dasjenige eines Vierfüßlers, Vogels oder sonstigen belebten Wesens
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