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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 5)

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Teppich gewisse historische Eigenthümlichkeiten aufzuweisen hat, die 
dem huzulischen fehlen und jenem daher ein besonderes Interesse ver- 
leihen. Während nämlich an den Kilirns südruthenischer Herkunft sich 
entweder blos einfache, also alterthümliche Elemente, oder aber aller- 
modernste Einflüsse, z. B. Muster aus Modejournalen vorfinden, bietet 
uns der nordruthenische Teppich unzweifelhafte Beispiele von vielfacher 
Beeinflussung durch die Kunst der dazwischenliegenden Zeit, der letzten 
zwei bis drei Jahrhunderte. Es entspricht oies völlig Demjenigen. was 
schon vorhin über das Verhältniss zwischen Nord- und Südruthenen im 
Allgemeinen gesagt wurde: während diese letzteren bis auf unsere Tage 
im Wesentlichen auf sich allein, auf ihr eigenes Volksthum und ihre tra- 
ditionelle Kunstübung beschränkt geblieben sind, haben die um das wich- 
tige politische Centrum Lemberg sitzenden Nordruthenen augenscheinlich 
frühzeitig den Einfluss der internationalen Kunst erfahren, was sich denn 
auch an gewissen Typen ihrer Kilims äußert. Darin beruht das besondere 
Interesse, das die nordruthenischen Kilims für sich in Anspruch nehmen 
dürfen; daher sollen auch meine diesmaligen Ausführungen ausschließlich 
den nördlich vom Dniestr erzeugten Kilims gelten. 
Das geographische Verbreitungsgebiet der nordruthenischen Teppiche 
fällt im Wesentlichen mit dem Begriffe Podoliens zusammen. Freilich 
hat dieser Begriff seit der Theilung Polens nicht mehr einen unmittelbaren 
politischen Hintergrund; aber die Entstehung und Verbreitung der da- 
selbst heute noch gangbaren historischen Teppichmuster geht in Zeiten 
zurück, da der Zbrucz noch nicht die Grenze zwischen zwei verschie- 
denen Reichen und verschiedenen Religionsbekenntnissen bildete. Ich 
habe einen Theil des heutigen russischen Gouvernements Podolien bereist 
und überall daselbst die gleichen Teppiche und Teppichmuster in Ge- 
brauch gefunden, wie auf österreichisch-podolischer Seite, obzwar in 
ganz Russisch-Podolien, mit einer einzigen Ausnahme die mit bessara- 
bischem Volksthum zusammenhängt, heute nirgends mehr ein Teppich- 
webstuhl in Betrieb steht. Auf galizischeni Gebiete fallen diejenigen Be- 
zirke, in welchen diese Teppiche heute noch erzeugt werden, in den 
historischen Begriff Podoliens, mit einziger Ausnahme des nördlichsten 
Gebietes von Zaloäce, das bereits in die historische Sphäre von Wolhynien 
hineinragt; da aber in Wolhynien weder auf österreichischer noch auf 
russischer Seite eine Kilimerzeugung in jüngerer Zeit nachgewiesen ist, 
dürfen wir auch dieses nördlichste galizische Teppichgebiet wenigstens 
kunsthistorisch unter das podolische subsumiren. 
Der podolische Bauer gebraucht seinen Kilim fast ausschließlich als 
Bettdecke. Der Kilim ist gerade groß genug, um das Ehebett damit zu- 
zudecken; die typischen Dimensionen sind also ungefähr 21]. Meter in der 
Länge und H], Meter in der Breite. Seinerzeit mag jeder Bauer daselbst 
seinen Kilim gehabt haben; heute ist er in den meisten Dörfern bereits 
ein Gegenstand des Luxus Einzelner geworden. Und unter den wenigen
	        
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