IX
Das Großartigste in getreuer Wiedergabe von zwei- und dreifarbigen
Zeichnungen leistete Gilles Demarteau, geboren zu Lüttich 1722, ge-
storben daselbst 1776. Ausgezeichnete Porträts, tretlliche Actliguren nach
Carel van Loo und zahlreiche reizende Genrebildchen nach Huet bestätigten
seinen Ruhm, den er sich besonders durch Repruduction von Bouchefs
Zeichnungen erworben hat. Gerade Boucher's idealisirte Hirtinnen, Grazien
und Amoretten in allen möglichen und unmöglichen Stellungen und Lagen,
mit ihren drallen und stets rundlichen Formen in ewig gleichmäßiger
Manirirtheit konnten keinen besseren Interpreten finden als Demarteau,
der wegen seines großen Lycurgosblattes nach Cochin (1769) sogar der
Aufnahme in die Akademie gewürdigt wurde.
Sein gefährlichster Concurrent wurde Louis Bonnet, geb. in Paris
1743, dessen Werk mit 1000 Nummern jenes des Demarteau noch um
400 überragt und der die einfache Crayonmanier durch Anwendung von
5-8 Platten zur Nachahmung von Pastellzeichnungen mit höchstem
Farbeneffecte vervollkommte. Seinen Triumph bildeten Porträts von über-
raschender Wirkung, wie die unter Nr. 342 ausgestellte Flora, in welcher
man Madame de Pompadour erkennen will und die gleichfalls aus-
gestellten großen Frauenköpfe nach Lagrenee und Le Clerc. Solche
Bildchen wurden damals viel begehrt, wie sich überhaupt im 18. Jahr:
hundert eine ganz außerordentliche Bilderfreude fast wie im 15. und
Anfang des 16. Jahrhunderts entwickelte, allerdings auf ganz anderen
moralischen, man könnte fast sagen unmoralischen Grundlagen, und die
neuen Reproductionsarten kamen wegen ihrer Billigkeit dieser Bilder- und
Farbenfreudigkeit unterstützend entgegen. Die kleinen Bilder von wenigen
Farbenplatten kosteten etwa I5 Sous und die vielfarhigen, wie das herr-
liche Büstenbild der Marie Antoinette in pelzverbrämtem Kleide kosteten
3 Francs - im Jahre 1879 wurde aber letzteres miniaturartig kleine
Porträt mit 550 Francs bezahlt.
Bei der enormen Productionskraft des Bonnet, der auch mehrere
Gehilfen in seinem Verlagsatelier hielt, laufen freilich auch Geschmack-
losigkeiten für Befriedigung der großen Masse unter, wie wenn er Frauen-
köpfe mit Zierrahmen in Golddruck wie in einem vergoldeten Holzrahmen
veröEentlichN); aber seine reizenden Blätter nach Huet, eine Reihe soge-
nannter galanter Sujets nach Baudouin und Anderen behaupteten sich mit
kurzen Zeitunterbrechungen in der Werthschätzung der Kunstliebhaber,
besonders da es Bonnet verstand, auf seinen späteren Blättern zur Stei-
gerung ihrer Wirkungen auch die neueren Techniken, von denen noch
zu reden sein wird, anzuwenden.
Von Künstlern in der Crayonmanier außerhalb Frankreichs ist der
Amsterdamer Cornel Ploos von Amstel hervorzuheben, geb. 173i,
') Diesen Golddruck von Kupferplatten hatte ca, 1770 Louis Marin erfunden.