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es mitunter einem jüdischen Händler in Fällen höchster Noth, namentlich
bei drohender Steuerexecution, der Bäuerin ein Hemd oder einen Teppich
um einen Spottpreis abzuringen. Ein freiwilliger Verkauf seitens der
bäuerischen Besitzerin und Verfertigerin kann dies aber weder in dem
einen noch in dem anderen Falle genannt werden.
Die ausgestellt gewesenen Webereien und Stickereien bestanden fast
ausschließlich in Costümstücken. Das Hauptstück des rumänischen weib-
lichen Costüms (und auch des männlichen) ist das Hemd, die antike Tunica.
Da dasselbe im Obertheil, oberhalb der Hüften, wenigstens in der besseren
Jahreszeit - innerhalb des Hauses auch im Winter - ohne einen Ueber-
wurf ganz frei getragen wird, erscheint es auch an den freien Stellen
entsprechend verziert. Da ist einmal der Halssaum, ferner die zwei breiten
über Brust und Rücken laufenden Streifen - dem Wesen und wahr-
scheinlich auch der historischen Entwickelung nach die beiden Clavi der
römischen Tunica der Kaiserzeit - endlich der Aermel, und zwar dieser
in der reichsten Weise geschmückt, mit breitem Achselstück (das eben-
falls auf Zusammenhang mit der spätantiken Tunica hinweist) und mehr-
fachen Querstreifen, die bis zur Handwurzel herabgehen. Bemerkens-
werthe Verzierungen zeigen ferner noch die Taschentücher, namentlich
die zu Hochzeitszwecken gestickten, sowie die gewebten Gürtel. Als
Material fungirt neben vielem Gold ein mehrfarbiges Garn. Charak-
teristisch ist nun für diese rumänischen Webereien und Stickereien vor
Allem die Farbenwirkung. Namentlich gegenüber vielen slavischen Textil-
arbeiten, die sich durch bunte, vielfach schreiende Farbencontraste aus-
zeichnen, unterscheidet sich die rumänische Stickerei durch ihre harmo-
nisch abgedämpften Töne. Schwarz und Orangegelb spielen hiebei eine
Hauptrolle, das kühle Blau tritt dagegen ganz zurück, das Roth findet
nur discrete Anwendung, unter Beigabe eines entsprechenden Gegen-
gewichts. Bemerkenswerth ist die regelmäßige Anwendung von Palgetten,
häufig sind auch ganz kleine Perlen verwendet, um in schmalen Schnüren
die einzelnen Streifen der Aermelstickereien voneinander zu trennen.
Welchen Zweck verband man mit dieser Abtheilung der Exposition?
Dem Hauptproducenten dieser Arbeiten, dem Landvolke selbst, konnte
man damit nichts Neues bieten oder lehren. Das Landvolk arbeitet ja die
Sachen noch heute und verwendet dieselben ausschließlich, unter Ver-
meidung aller und jeder Fabriksarbeit wie z. B. der gedruckten Cattune,
die in Podolien schon so vielfach zu Kleidungszwecken gebraucht werden.
Das rumänische Landvolk ist auch stolz auf diese seine Arbeiten und
eifersüchtig hütet jede Bäuerin ihre eigenthümlichen Muster. So geschah
es, dass in meinem Beisein eine Bäuerin in Nowoselitza ihrem Gutsherrn,
dem daselbst allbekannten Herrn Dr. v. Zotta, die Entleihung auch nur
eines von ihren paar Dutzend Hemden auf die Ausstellung verweigerte,
mit der ausdrücklichen Motivirung, dass man ihr bei dieser Gelegenheit
ihre Muster abgucken könnte.