Selbst eine ganz moderne Hamburger, eine Berliner, eine
Bremer, eine Frankfurter Straße, sei’s Villem, sei’s Ladern
Straße, sei’s Vorstadtstraße, ist überall eine ganz andere, weil
ganz von selbst der Lebenscharakter der betreffenden Stadt,
ihnen seine Eigenart, selbst dem Neuen seinen Stempel auf-
drückt — von Entgleisungen, die natürlich Vorkommen,
abgesehen.
Und gar erst ältere Stadtteile!
Man vergleiche nur einmal die Städte eines kleinen einzelnen
Gebiets, z. B. Schleswig^Holsteins, miteinander.
Wie weichen schon Altona und Wandsbeck völlig im Cha^
rakter — nicht nur im Gesamtcharakter, sondern Altstadt
mit Altstadt, Villenstraße mit Villenstraße, Promenade mit
Promenade, Kirche mit Kirche verglichen — von der Nach^
barin Hamburg und wieder untereinander ab. Eine Geg ✓
wie die Altonaer Altstadt, am abfallenden Geesterand belegt ^
mit den kleinen alten Häuschen, die immer noch wie in Gott
weiß welcher Kleinstadt die halb zu öffnenden Türen haben,
vor denen sich ein Stück des häuslichen Lebens abspielt,
gibt’s in Hamburg nirgends, selbst wenn wir in die alten
Höfe mit ähnlich kleinen Häusern eindringen, ist’s durchaus
anders. Jene Gegend Altonas ist charakteristisch holsteinisch,
selbst das kleinstädtischesteViertel Hamburg ist aber durchaus
eigenhamburgisch, man fühlt immer, daß man in einer alten,
durchaus eigenartigen Großstadt ist.
Die Palmaille in Altona und die Esplanade in Hamburg —
was sind’s trotz der ganz ähnlichen Anlage mit der Allee in
der Mitte für verschiedene Straßen. Die alten Palais der
Palmaille mit ihrer großen schönen Einfahrtstür und trotz
fast gleicher Entstehungszeit durchaus andere Bauten, als die
der Esplanade. Die auf den ersten Blick ganz charakterlose
Hamburger Straße Wandsbecks — wo sollte sie passend
in Hamburg oder Altona stehen? Deutlich trägt sie noch
immer den Stempel einer an einer Landstraße außerhalb
einer großen Stadt erstandenen, nicht zu dieser Stadt zu
zählenden Sonderansiedlung.
Und so vergleiche man einmal auch die andern Städte der
meerumschlungenen Lande — so viel Städte, so viel Einzeh
Charaktere: Städte mit alten historischen Erinnerungen, wie
Lübeck, das Haupt der stolzen Hansa, wie die alten Herzogs'
sitze Schleswig und Lauenburg, wie Meldorf, die ehemalige
Hauptstadt der freien Ditmarschen, Glückstadt, die ehemalige
dänische Festung, Friedrichstadt, die holländische Kolonie
auf schleswigschem Boden, stehen Städten gegenüber, die
heute plötzlich aufschießen, wie Neumünster, der Eisenbahn--
knotenpunkt Holsteins, in dem noch die strohgedeckten
Häuser mitten in der Stadt neben den großen Etappenhäusern
stehen! Städten, die alten Charakter in großem Maße be'
wahrt haben, wie Lübeck, Musum, Friedrichstadt, Mölln,
stehen solche gegenüber, die ihn fast völlig abgelegt haben,
wie Flensburg, Kiel u. a. Städten, die in vollem Aufschwünge
begriffen sind, wie Flensburg, Kiel, Neumünster, Rendsburg
u. a., stehen stille beschauliche Landstädtchen gegenüber, wie
Wölster, Krempe, Lutjenburg u. a. Reizlosen Städten stehen
solche in herrlicher Lage gegenüber, wie die Hügelstadt
Lauenburg an der Elbe, wie die Seestädtchen Plön, Entin
oder wie alle Städte an den Föhrden der Ostküste. Diese
Küstenstadt ist Handelsstadt geworden (Flensburg, Musum),
diese ein Hauptfischerplatz (Eckernförde), diese ein Badeort
(Travemünde, Glücksburg), diese ein Kriegshafen (Kiel).
Nur die merkwürdige, die Hauptsache der Stadt bildende
eine lange Uferstraße Schleswigs, Flensburgs, Lauenburgs,
da die Fächergestalt des Stadtplans in Glückstadt, da die
an Holland erinnernden Fleete und Grachten Glückstadts,
Friedrichstadts, Krempes. Hier alte gotische Bauten, Treppen'
giebelhäuser, wie in Lübeck und Musum, da in Glückstadt
durchaus Rokoko überall — hier ein Stück holländische
Kunstgeschichte: Friedrichstadt, da eine Stadt, in der man
eine ganze Ästhetik des Erkers schreiben könnte: Tondern.
Und so fort.
Was für ganz verschiedene Wesen sind sie, diese Städte
eines einzigen Landes — nähmen wir gar noch andere deutsche
Modesalon Schwestern Flöge, Wien, eingerichtet von der Wiener Werk-
Stätte. Pfeilerschrank aus dem Empfangsraum, Bureau und Anproberaum.