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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Selbst eine ganz moderne Hamburger, eine Berliner, eine 
Bremer, eine Frankfurter Straße, sei’s Villem, sei’s Ladern 
Straße, sei’s Vorstadtstraße, ist überall eine ganz andere, weil 
ganz von selbst der Lebenscharakter der betreffenden Stadt, 
ihnen seine Eigenart, selbst dem Neuen seinen Stempel auf- 
drückt — von Entgleisungen, die natürlich Vorkommen, 
abgesehen. 
Und gar erst ältere Stadtteile! 
Man vergleiche nur einmal die Städte eines kleinen einzelnen 
Gebiets, z. B. Schleswig^Holsteins, miteinander. 
Wie weichen schon Altona und Wandsbeck völlig im Cha^ 
rakter — nicht nur im Gesamtcharakter, sondern Altstadt 
mit Altstadt, Villenstraße mit Villenstraße, Promenade mit 
Promenade, Kirche mit Kirche verglichen — von der Nach^ 
barin Hamburg und wieder untereinander ab. Eine Geg ✓ 
wie die Altonaer Altstadt, am abfallenden Geesterand belegt ^ 
mit den kleinen alten Häuschen, die immer noch wie in Gott 
weiß welcher Kleinstadt die halb zu öffnenden Türen haben, 
vor denen sich ein Stück des häuslichen Lebens abspielt, 
gibt’s in Hamburg nirgends, selbst wenn wir in die alten 
Höfe mit ähnlich kleinen Häusern eindringen, ist’s durchaus 
anders. Jene Gegend Altonas ist charakteristisch holsteinisch, 
selbst das kleinstädtischesteViertel Hamburg ist aber durchaus 
eigenhamburgisch, man fühlt immer, daß man in einer alten, 
durchaus eigenartigen Großstadt ist. 
Die Palmaille in Altona und die Esplanade in Hamburg — 
was sind’s trotz der ganz ähnlichen Anlage mit der Allee in 
der Mitte für verschiedene Straßen. Die alten Palais der 
Palmaille mit ihrer großen schönen Einfahrtstür und trotz 
fast gleicher Entstehungszeit durchaus andere Bauten, als die 
der Esplanade. Die auf den ersten Blick ganz charakterlose 
Hamburger Straße Wandsbecks — wo sollte sie passend 
in Hamburg oder Altona stehen? Deutlich trägt sie noch 
immer den Stempel einer an einer Landstraße außerhalb 
einer großen Stadt erstandenen, nicht zu dieser Stadt zu 
zählenden Sonderansiedlung. 
Und so vergleiche man einmal auch die andern Städte der 
meerumschlungenen Lande — so viel Städte, so viel Einzeh 
Charaktere: Städte mit alten historischen Erinnerungen, wie 
Lübeck, das Haupt der stolzen Hansa, wie die alten Herzogs' 
sitze Schleswig und Lauenburg, wie Meldorf, die ehemalige 
Hauptstadt der freien Ditmarschen, Glückstadt, die ehemalige 
dänische Festung, Friedrichstadt, die holländische Kolonie 
auf schleswigschem Boden, stehen Städten gegenüber, die 
heute plötzlich aufschießen, wie Neumünster, der Eisenbahn-- 
knotenpunkt Holsteins, in dem noch die strohgedeckten 
Häuser mitten in der Stadt neben den großen Etappenhäusern 
stehen! Städten, die alten Charakter in großem Maße be' 
wahrt haben, wie Lübeck, Musum, Friedrichstadt, Mölln, 
stehen solche gegenüber, die ihn fast völlig abgelegt haben, 
wie Flensburg, Kiel u. a. Städten, die in vollem Aufschwünge 
begriffen sind, wie Flensburg, Kiel, Neumünster, Rendsburg 
u. a., stehen stille beschauliche Landstädtchen gegenüber, wie 
Wölster, Krempe, Lutjenburg u. a. Reizlosen Städten stehen 
solche in herrlicher Lage gegenüber, wie die Hügelstadt 
Lauenburg an der Elbe, wie die Seestädtchen Plön, Entin 
oder wie alle Städte an den Föhrden der Ostküste. Diese 
Küstenstadt ist Handelsstadt geworden (Flensburg, Musum), 
diese ein Hauptfischerplatz (Eckernförde), diese ein Badeort 
(Travemünde, Glücksburg), diese ein Kriegshafen (Kiel). 
Nur die merkwürdige, die Hauptsache der Stadt bildende 
eine lange Uferstraße Schleswigs, Flensburgs, Lauenburgs, 
da die Fächergestalt des Stadtplans in Glückstadt, da die 
an Holland erinnernden Fleete und Grachten Glückstadts, 
Friedrichstadts, Krempes. Hier alte gotische Bauten, Treppen' 
giebelhäuser, wie in Lübeck und Musum, da in Glückstadt 
durchaus Rokoko überall — hier ein Stück holländische 
Kunstgeschichte: Friedrichstadt, da eine Stadt, in der man 
eine ganze Ästhetik des Erkers schreiben könnte: Tondern. 
Und so fort. 
Was für ganz verschiedene Wesen sind sie, diese Städte 
eines einzigen Landes — nähmen wir gar noch andere deutsche 
Modesalon Schwestern Flöge, Wien, eingerichtet von der Wiener Werk- 
Stätte. Pfeilerschrank aus dem Empfangsraum, Bureau und Anproberaum.
	        
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