Textiler I-Iausfleiß in der Bukowina.
Von Dr. Alois Riegl.
(Schluss)
Wir wissen nun, wie der bukowinische Teppich hergestellt wird und
zu welchem Gebrauchszwecke er dient. Von Mustern und Farbe ist nicht
viel zu sagen. Die Muster sind die ewigen aus der Planimetrie, zumeist
unter Zugrundelegung der Raute construirt. Die Farbengebung zeigt
wenigstens an den älteren Stücken die Vorzüge, die ich schon bei Be-
sprechung der Stickereien zu rühmen Gelegenheit hatte. Was bezweckte
man nun mit der Ausstellung dieser Teppiche? Und was will man den
rumänischen Bauer damit lehren?
Vor Allem geht aus dem Charakter dieser ganzen Teppichproduction
hervor, dass die mit der Ausstellung etwa geplanten Verbesserungen
weder den Gebrauchszweck, noch das Muster, noch das Technische
betreffen können. Solche Verbesserungen braucht der Hausfleiß nicht
und soll damit verschont bleiben. Die Industrie freilich, die einen Markt
sucht, die concurrenzfähig bleiben will, muss rastlos bemüht sein, ihre
technischen Mittel zu vervollkommnen, ihre Muster stets auf der Höhe der
Mode zu erhalten. Für eine solche Industrie fehlen aber in der Buko-
wina dermalen noch alle Voraussetzungen und vor Allem das Haupt-
sächlichste: Sinn und Bedürfniss der Bevölkerung. Man rühre daher an
Nichts, was unauflöslich mit dem Hausfleißsysteme verbunden ist: das
sind aber Gebrauchszweck, Technik, Muster untereinander. Für eine
Schule, wie die Kilimwebereischule des Herrn v. Fedorowicz in Okno,
über deren erfolgreiches Wirken ich in dem vom k. k. Unterrichts-
ministerium herausgegebenen Centralblatt für den gewerblichen Unterricht,
Suppl.-Band XI (1892), S. l 6., eingehend berichtet habe, wäre in der
Bukowina nirgend ein Raum. Wenn Herr Dr. v. Zotta auf seinem
Wohnsitz zu Nowoselitza eine Anzahl von Mädchen an zwei Teppich-
webstühlen beschäftigt, so denkt er hiebei weder an eine technische oder
künstlerische Reform, noch an die Erschließung einer Einnahrnsquelle für
die dortige Bevölkerung, sondern er sucht damit lediglich seine bereits
früher erwähnten Bestrebungen nach Wiedereinführung des textilen Haus-
fleißes in die Wirthschaft des Großgrundbesitzers in die Praxis zu über-
setzen. Als Herr und Gebiete: seines Hauses ist er da nur vollkommen
in seinem Rechte, wenn er sich diejenigen Muster in seine Teppiche
wirken lässt, die ihm gefallen, wie dergleichen jede rumänische Bäuerin
thut. So lässt nun Herr v. Zotta gelegentlich das eine oder andere Blatt
aus Lessing's altorientalischen Teppichmustern wirken, was seine Arbeits-
mädchen ohne Schwierigkeit zu Wege bringen. Aber den selbständigen
Bäuerinnen wird man damit nicht kommen dürfen, und wenn man ihnen
damit kommen sollte, so werden sie diese Muster vermuthlich ebenso
hartnäckig zurückweisen wie die Kaufsangebote auf ihre Hemden und
Banklaken.