das Auseinanderhalten und die gesonderte Behandlung beider Spharen erschwert, ja
manchmal gänzlich gehindert. Diese Sphären umfassen einerseits die Mittel zur Er-
langung, anderseits die Grundsätze zur Verwerthung der Zeichenfertigkeit.
Nach beiden Richtungen hin wird heute ein Universalmittel zur Durchführung
der - wie behauptet wird - dringend nbthigen Verbesserung des herrschenden Zu-
standes anernpfohlen. Die Sturmßuth fachlitterarischer Abhandlungen mit Vorschlagen zur
Reform der zeichnerischen Flcher im Allgemeinen und des Zeichenunterrichtes ins-
besondere lasst mit wenigen Ausnahmen nur ein einziges Wort als Leitmotiv vernehmen:
Natur! ist allenthalben die Losung.
Obwohl auch der Verfasser der vorliegenden Abhandlung die Wichtigkeit des
Naturstudiums für den Zeichner, namentlich für den Ornainentisten, in vollsten) Maße
anerkennt, so erweist er sich doch in seinen Folgerungen als kein zu großer Sanguiniker.
Er will Programm und Methode je nach den Erfordernissen der einzelnen Unterrichtsstufen
modificirt wissen. Er behandelt zunächst die Frage, in welcher Weise schon der all-
gemeine elementare Zeichenunterricht der Losung der Aufgabe, den Ornamen-
tisten selbständiger zu machen, das Stilgefühl desselben zu wecken und zu kraftigen,
verarbeiten konnte, und erörtert dabei eingehend jene Verhältnisse, welche das Zeichnen
von Naturforrnen auf den niederen Stufen des Unterrichtes nur in eingeschränktem Maße
gestatten. Auf dem Gebiete des eigentlichen Fachunterrichtes ernpüehlt der Verfasser im
Anschlusse an die seinerzeit von W. Meurer aufgestellten Principien, ndas Studium der
Naturformen unter Vergleichung mit den Kunstformen fruhcrer Stile und unter Anwen-
dung auf die Ornamentik und das Kunstgcwerbe eingehend zu betreibena, wobei er aus-
drücklich hervorhebt, dass nnur Schiller, deren zeichnerische Fertigkeit und stilgeschicht-
liche Kenntnisse nachgewiesen Sindl, in den entsprechenden Classen aufgenommen werden
dürften. Zum Schlusse wird die Wahl der Lehrmittel in Erwägung gezogen. Die im Pfßllr
ausschreiben enthaltene Frage des Unterrichtes im Malen nach natürlichen Pilanzen ist
ohne Erörterung geblieben. Eine weitere hocbbedeutsame Frage wurde in dem Aus-
schreiben zwar nicht aufgeworfen, doch indirect berührt: die Frage des Contactes zwi-
schen der ideal schopfenden Kunst und dem ausführenden Gewerbe. Sie ist auch in
Moser's Schrift nicht unbeachtet geblieben, doch, nach den beigegebenen Entwürfen zu
schließen, ohne entschiedenes Eingehen in die von der Praxis dictirten Verhlltnisse.
M-t.
Innendecoration des kgl. bayer. Lustschlosses Schleißheim. Photographisch
aufgenommen von Otto Aufleger, mit geschichtlicher Einführung
von J. Mayerhofer. 30 Blatt Lichtdr. Fol. München, L. Werner,
i89i. M. 30.
Vorliegende Publication bildet nicht etwa, wie man wohl meinen rnüchte, eine
versnderte Wiederholung des 1885 bei Seemann erschienenen Werkes über Schleißheirn,
zu welchem ebenfalls Mayerhofer den Text verfasst hatte, wlhrend an Stelle der Licht-
drucke von Aufleger und Albert die großen Kupfertafeln von Ohermayer getreten waren,
sondern sie ist vielmehr ein ganz selbstandigea Werk, das unter Umständen als eine sehr
willkommene Erweiterung und Ergänzung jener größeren, seinerzeit rnit Unterstützung
König Ludwig ll. erschienenen Publieation angesehen werden kann.
Führen uns die Kupfertafeln besonders die Großartigkeit des Ganzen, die architek-
tonischen Coneeptionen, den Aufbau und die Gliederung der Raume sowie in Durchschnitten
die wechselseitigen Beziehungen der Säle und Gemächer vor Augen, so vergegenwärtigen
uns dagegen die Lichtdrucke die außerordentliche Fülle des ornamentalen Details und
den Reichthum der decorativen Geaammtwirkung. Sie geben dies trotz aller Scharfe in
der weichen Modellirung und malerischen Wirkung des Originales wieder, und machen
uns mit einer Reibe perspeetivischer Ansichten in diesem herrlichen Schlosse bekannt,
von denen der Stecher, in der Absicht blos orthogonale Aufnahmen herzustellen, voll-
knmmen absehen musste. lst daher die erue Puhlication bei aller Vornehmheit trockener
und kühler, so versetzt uns die zweite mit aller Unmittelbarkeit in den decorativen
Freudenrausch der Barocke, in die bestriekenden Reize, welche eine Reihe hervor-
ragender Stukkatorer, Steinmetze, Bildhauer, Bildgießer und Maler unter der Oberleitung
des feinsinnigen Architekten Josef Eifner (17t6 bis 17:1) über alle Räume des Schlosses
zu verbreiten wusste. Der moderne Künstler aber, der auf decorativem Gebiete arbeitet,
erhült in zahlreichen Detailaufnabmen eine Fülle herrlicher Motive, wie sie nur in den
allervornehmsten Schloasern jener Zeit wiederkehren. Fs.
l