Seite 82
Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 6
Vennitzer, die für Wien interessanten Blätter für den
Propst Melchior Khlesel, den Historiographen Dr. med.
Wolfgang Lazius, das Schottenstift und die freiherrl.
Familie von Windhag, deren Bücherschätze der Wiener
Universitätsbibliothek einverleibt wurden.
In der dritten Abteilung (18. Jahrhundert) begegnen
wir hübschen Blättern von Chodo wieck i, Johann
Andreas Pfeffel, den Brüdern Heinrich und Johann
Wilhelm Meil, Johann Esaias Nilson, Martin
Tyr off etc., Repräsentanten des zierlichen Rokoko-
und englischen Chippendale-Stiles, reizenden Darstellun
gen von Bibliothekinterieurs und symbolisierenden
Allegorien. Hier ist auch das Ex libris des italienischen
Dichters A 1 f i e r i zu sehen.
Wenig künstlerisch Erfreuliches bietet die vierte Ab
teilung, die die Zeit von 1800—1870 umfaßt. Dagegen
nehmen die Namen der Ex libris-Besitzer unsere vollste
Aufmerksamkeit gefangen. Wir finden hier das Ex libris
des Begründers des Altkatholizismus Ignaz von Döl-
1 i n g e r, das von Goethe gestochene Blatt für Käth-
chen Schönkopf, das Bucheignerzeichen des Goethe
forschers Zarncke, das Ex libris Schopenhauers,
des Feldmarschalls Grafen Radetzky und viele
andere.
Die politischen Ereignisse der Jahre 1870 und 1871,
die den Deutschen die lang vermißte Einigung brachten,
übten auf das ganze geistige und kulturelle Leben dieses
Volkes den mächtigsten Einfluß aus. Diese Wiedergeburt
blieb auch nicht ohne Einfluß auf die deutsche Kunst, die
sich wie mit einem Schlage von der Geschmacklosig
keit der vorangegangenen zwei Jahrzehnte befreite.
Allenthalben beobachten wir ein Zurückgreifen auf
alte, gute Sitten und bei dem Bestreben, selbst die un
scheinbarsten Gegenstände des Alltagslebens künst
lerisch auszuschmücken, nimmt es uns nicht wunder, daß
auch dem Ex libris und mit ihm der graphischen Klein
kunst erhöhte Beachtung geschenkt wurde.
Diese Epoche führt uns die Abteilung 5 der Ausstel
lung vor Augen. Vorn Prof. Emil D o c p 1 e r d. J. in Ber
lin angefangen, mit dessen Blättern für den Schriftsteller
Dr. I J aul Lindau und den Neuerwecker der Ex libris-
Sitte Friedrich Warnecke, die neue Ex libris-
Bewegung einsetzt, finden wir alle Künstler, die für die
wiedererwachte Ex libris-Sitte richtunggebend auftraten,
vertreten, so den bekannten Hof- und Wappenkunst
maler Ernst K r a h 1 in Wien (12 Originalentwürfe und
3 Rahmen mit zusammen 32 Blättern), Lorenz M.
R heud e, München, Otto Hupp, Schleißheim, Prof. Ad.
M. H i Ld e b r a n d t, Berlin. Ais zeitgenössische Reprä
sentanten englischer und amerikanischer Kleinkunst
treten uns Sherborn und E. D. Frcnch gegenüber.
Aeußerst lehrreich für den Laien ist die Kollektiv
ausstellung Franz A n d e r 1 e, der uns aus seiner wert
vollen, 12.000 Blatt umfassenden Sammlung einige Spe
zialitäten vorführt: Typographische Ex libris, Mono-
gramm-Ex libris, Redende Ex libris, Spruch-Ex libris
und Ex libris berühmter Persönlichkeiten. Ihm schließt
sich Frau Josefine Le ebner (Wien) an, deren Samm
lung moderner Fiirsten-Ex libris einen Anziehungspunkt
der Ausstellung bilden dürfte.
Nachdem wir noch einen Blick auf die in Vitrinen
ausgestellten Superlrbros geworfen haben, begeben wir
uns in den ersten Stock, der den modernen Teil der Aus
stellung beherbergt.
In pietätvoller Weise räumte die Ex libris-Gesell-
schaft den ersten Platz den Werken ihres unvergessenen
langjährigen Vorstandes des Hofrates Moritz von W ei t-
t e n h i 11 e r ein, die das Mittelmaß guter Dilettanten
arbeiten weit überragen.
Wollten wir versuchen, auch nur ein annäherndes
Bild des nun folgenden, interessanten Materials zu ent
werfen, so müßten wir den Katalog der Ausstellung ab
schreiben. Denn in 120 Vitrinen und Rahmen sind hier
fast alle hervorragenden Ex libris-Meister der Gegen
wart in ihren Werken vereinigt. Wahllos wollen wir
wenigstens die am auffälligsten vertretenen Künstler
nennen und müssen es unseren Lesern überlassen, sich
ein Urteil über die hier aufgestapelten Kunstschätze zu
bilden, zumal jede Kunstrichtung und jede Technik be
rücksichtigt erscheint und jeder Geschmack auf seine
Rechnung kommen dürfte.
Von Wiener Künstlern fallen uns zunächst die
Blätter des Altmeisters unter den österreichischen
Radierern, William U n g e r, auf, ferner die Arbeiten von
Coßmann, Schmutzer, We.semann, Roth-
aug, Steininger, Hans Frank, Tauschek,
Lieben wein und Bayros, die durchwegs Vorzüg
liches bieten.
Aus den übrigen Kronländern unserer Monarchie
begegnen wir unter anderen hervorragenden Blättern
von Luigi Casirnir, Max E s t e r 1 e, Horatio Gaig-
h e r, Max H ö n i c h, Georg J i 1 o v s k y, Ottokar
Stäfl (75 Blätter in verschiedenen Techniken) und
Hugo Steiner.
Den österreichischen Künstlern, obwohl sie sich des
besseren Vorwärtskommens wegen im Deutschen Reiche
heimisch gemacht haben, sind zuzuzählen: Alois Kolb,
Emil O r 1 i k, Käthe Schönberger-Olshausen
(derzeit in Kamerun), und Mathilde Ad e, die bekannte
Künstlerin der »Meggendorfer Blätter«, deren poesie
volle Ex libris uns oft an Märchenträume der Jugend er
innern.
Deutschland, von wo aus die neuzeitliche Ex libris-
Bewegung ihren Ausgangspunkt nahm, stellt naturgemäß
glänzende Repräsentanten in die Schranken: Max K1 i n-
g e r, Otto G r e i n e r, Heinrich Vogeler (hand
signierte Radierungen auf Atlas), Hans Volkert,
Hubert W i 1 m, Hans Thom a, Josef Sattler, Eduard
v. Gebhard t, Felix H o 11 e n b e r g, Heinrich Kley,
Julius Dietz, Bernhard Wenig, Rudolf Schiestl,
Wilhelm Busch, Bruno Heroux, Hans Bastan-
n i e r, Otto Ubbellohde, Otto B 1 ü m e 1, Otto Eck
mann, Willi Geiger und viele andere.
Auch die Werke der Schweizer: Eritz Mock,
Alfred Peter, Alfred S o d e r, Albert W e 11 i, Ernil
Anner-Brugg, Max Bucherer und Hermann
H i r z e 1 verdienen vollste Beachtung.
Wenn wir schließlich auf die Ex libris des Spaniers
R i q u e r, des Belgiers Rassenfosse (Schüler von
F. Rops), des Russen Somoff, der Amerikaner Cham
bers und Smith, der Engländer Bell, C r a i g und
Walter Crane, sowie des in Kopenhagen lebenden
Italieners Stella aufmerksam machen, so glauben wir
das Bedeutendste aus dieser Abteilung hervorgehoben zu
haben.
Künstler und Sammler haben sieb vereinigt, um der
Wiener Ex libris-Ausstellung zu einem vollen Erfolge zu
verhelfen. Das kunstsinnige Wiener Publikum wird sich
gewiß die seltene Gelegenheit, die gediegensten Werke
graphischer Kleinkunst kennen zu lernen, nicht entgehen
lassen.
Nr. 6
Internationale Sa rn rn 1 e r - Z e ; t u n g.
Seite 83
Eine interessante Autographenauktion.
Mit dem zweiten Teil der Autographensammlung
Nering-Bocgel verbindet das Antiquariat Leo Licp-
m annssohn in Berlin die Versteigerung von Autographen
aus dem Nachlasse Josef Viktor Widmanns und von Musik-
manuskripten aus den Nachlässen des Münchener Hoftheater-
dircktors Felix Mottl und des Hoforganisten A. W. Qott-
s c h a 1 g.
Geradezu erstaunlich ist die Fülle von Autographen aus
Weimars größter Zeit. Goethe ist mit einem Dutzend
Nummern vertreten, worunter sich das Original des Dank
stände berief, dann sogleich, wie von einem furchtbaren Geiste
gewarnt, Ihr Kommen abrieth und gerade zur rechten Stunde.
Denn hätte ich diesen Brief nicht geschrieben, so wären Sie
mit in den 14. Oktober verwickelt worden. Doch auch das
wäre vorüber, wie jetzt manches einzelne vorübergeht, machte
uns nur das, was am Zustande dauernd ist, nicht soviel dulden.
... Der Sturm, der uns betraf, ging schnell vorüber, und die
Folgen sind für uns keineswegs so drückend wie für andere,
ja nächstbenachbarte.« Am Schlüsse sagt er: »Wie wunderlich
haben wir gleichzeitig uns heraufgewöhnt uild heraufgespielt.
Fig. 1. Grillparzer. Photographie seines Zimmers mit eigenhändiger Unterschrift. (Verkleinert.)
gedichtes befindet, das er 1825 zu seinem fünfzigsten Geburts
tag faksimiliert an seine Freunde sandte und das, wie folgt,
lautete:
»Meinen feyerlich Bewegten
Mache Danck und Freude kund.
Das Gefühl das Sie erregten.
Schließt dem Dichter selbst den Mund.«
(Goethe.)
Außerordentlich interessant ist ein bisher ungedruckter
Brief an den Historiker G. Sartorius von Waltershausen
der von Goethe wohl unterschrieben ist, aber die Handzüge
Riemers aufweist. Im Eingänge spricht er von dem 14. Oktober
1806, dem Tage der Schlacht von Jena, an welchem Weimar
die schmähliche preußische Retirade mitansehen mußte und
Goethe selbst in Lebensgefahr geriet, die noch rechtzeitig
Christiane Vulpius durch ihre Geistesgegenwart von ihm ab
wendete. »Wie manchmal habe ich der Zeit gedacht, in der ich
Sie, mit Hoffnung und doch mit wenig Zutrauen, auf die Urn-
Die neueste Generation wird heraufgedroschen. Es kann auf
diesem» Wege auch was mit ihnen werden.«
Derartige Aeußerungen, wie die letzten, sind bei Goethe
sehr selten und in hohem Maße interessant, da er sich bekannt
lich in allem, was irgendwie die Politik und mit ihr wesens-
verw'andte Gebiete berührte, die größte Zurückhaltung aufer
legte.
Von Schiller finden wir einen Brief an Göschen,
der auf die prekäre pekuniäre Lage des Dichters ein helles
Licht wirft. »Meine Finanzen,« schreibt Schiller, »sind ganz
auf dem Sande und die Weihnachtsfeiertage nähern sich, wo
ich vielerlei ansehnliche Ausgaben zu machen habe. Ich bin
Wirklich in ziemlicher Verlegenheit und meine einzige Ressource
sind Sie! Wenn Sie mir für 5 oder 6 Bogen Honorarium voi
schießen wollen, so reißen Sie mich aus meiner großen Be
unruhigung und erweisen mir einen großen Dienst!«
Ein anderer Brief Schillers, an Gottfried Körner ge
richtet, betrifft deren gemeinsamen Jugendfreund Ludwig Fer-