I6. Jahrhundert muss daher der Uebergang gelegen sein; dieses Resultat
stimmt auch mit dem Datum der politischen Ereignisse, die für die Er-
möglichunglund unmittelbare Herbeiführung der längst schon beobach-
teten wechselseitigen Beeintiussung zwischen beiden Kunstgebieten, dem
west- und dem ostasiatischen, bisher gewöhnlich geltend gemacht worden
sind: der Epoche des Timurlenk und seiner nächsten Nachfolger.
Ueberblicken wir von diesem Gesichtspunkte aus das auf der Aus-
stellung versammelte Material an älteren Teppichen, so sehen wir, dass
gerade die bedeutendsten und vornehmsten Stücke alle mehr oder minder
chinesischen Einfluss aufweisen, daher selbst die ältesten darunter kaum
über das 15. Jahrhundert hinaufdatirt} werden dürfen. Als eines der
ältesten Stücke erweist sich unter demselben Hinblick ein kleiner, dem
Handelsmuseum angehüriger Teppich {mit Pfauen und Goldfasan in
einer Waldlandschaft. Dass der chinesische EinBuss nicht auf Persien
beschränkt geblieben ist, sondern die ganze islamitische Welt sich erobert
hat, beweisen zahlreiche Denkmäler aus neuerer Zeit in Aegypten, Syrien
und Kleinasien. Um so bedeutsamer muss uns daher ein Teppich er-
scheinen, der vun chinesischem Einflüsse gar Nichts zur. Schau trägt
wie z. B. ein Seidenteppich aus dem Besitze des Allerhöchsten Hofes,
der auf spanisch-maurischen Ursprung zurückgeführt wird.
Das zweite Ergebniss allgemeiner Art, das bei der Betrachtung der
ausgestellten alten sowohl wie der modernen Teppiche sich dem Be-
schauer aufdrängt, ist die Erkenntniss, dass die gesammte orientalische
Teppichornarnentik im Wesentlichen eine Rankenornamentik ist
Es durchzieht ein und dasselbe Grundmotiv alle orientalischen Teppiche
von Nordafrika bis lndien, soweit dieselben nicht rein geometrisch ge-
mustert sind. Es ist die flexible vegetabilische Ranke in einer mehr oder
minder abstrakten, mathematischen Projection, nirgends ein naturalisti-
scbes Vorbild unmittelbar nachahmend, auf persischem und von da aus
beeinflusstem Gebiete in rundem Schwunge verlaufend, auf vorder-
asiatischem Gebiete mehr eckig gebrochen, wahrscheinlich um den latenten,
vegetabilischen Charakter noch mehr zu unterdrücken. Auch die pHanz-
lichen Motive, die sich an die Ranken ansetzen, die Blätter und Blüthen.
lassen sich zum Theile auf gemeinsame Grundformen zurückführen. Es
gilt dies insbesondere von den sogenannten Palmetten, d. h. Motiven von
spitzovalem bis kreisrundem Kern, der von einem Blattkranz gleich einer
Flammenglorie eingefasst erscheint. Und zwar sind es hauptsächlich zwei
typische Grundformen, in denen die Palmette an den Teppichen uns ent-
gegentritt. Die eine ist die persische Palmette im engeren Sinne, mit von
unten auf sich entwickelnden Blättern, die den Kern umschließen; sie
findet sich schon auf sassanidischen Kapitälen gemeinsam mit dem
Akanthus, und an den älteren Mosaiken (vom Ende des 7. Jahrhunderts)
der Felsenmoschee zu Jerusalem. Die zweite Art reiht die contourirenden
Blattzacken im Kreise nebeneinander, anstatt dieselben vorn Stiel herauf
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