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der chinesischen Kunst. Wie alt ist sie bei diesem Volke, dessen Cultur
wir gewohnt sind, als eine uralte, streng autochthone anzusehen? Konnten
die Chinesen, denen wir schon so manches Einzelmotiv der späteren per-
sischen Teppichornamentik haben zuweisen müssen, nicht auch die Ver-
mittler des Rankenmotivs gewesen sein? Die Antwort lautet dahin, dass
die chinesische Ranke doch eine ganz eigenthümliche, unverkennbare
Stilisirung aufweist, und die Ranke der orientalischen Teppiche in Bezug
auf die Linienführung der griechischen Ranke weit näher steht als der
chinesischen. Ueberdies bleibt zu erwägen, dass bei unserer fast völligen
Unkenntniss der chinesischen Kunstgeschichte über das Alter des decora-
tiven Rankenmotivs bei den Chinesen gar nicht geurtheilt werden kann.
Eine Abhängigkeit der chinesischen Rankenornamentik von der westlichen
ist zwar mit den heutigen Mitteln nicht nachzuweisen, und soll auch gar
nicht behauptet werden; aber Niemand wird die Möglichkeit einer solchen
von vornherein für ganz ausgeschlossen halten dürfen. Ist doch die in-
dische Rankenornamentik unzweifelhaft hellenistischen Ursprungs, ein
Product der Zeit Asoka's und seiner Nachfolger, da sich das bis dahin
kunstarme, denkmallose Indien dem von den Diadochen regierten Westen
erschloss. Haben sich dann weite Landschaften mit chinesischer Bevöl-
kerung dem religiösen Einiinsse der Inder durch Annahme des Bud-
dhismus gebeugt, warum sollten sie nicht auch ihren künstlerischen
Einfluss erfahren haben?
Ein weiteres strittiges Capitel der orientalischen Teppichgeschichte,
hinsichtlich dessen man Aufklärung von dieser Ausstellung erwartete, ist
dasjenige über etwaige europäische Imitationen orientalischer Tep-
piche in älterer Zeit. Von der einen Gruppe, die hier in Betracht kommt,
den sogenannten Polenteppichen, ist schon im vorigen Artikel die Rede
gewesen. Europäisirenden Charakter in den Einzelmotiven tragen mehr-
fache Teppiche zur Schau, ohne dass wir uns gleichwohl dadurch für
berechtigt erachten dürften, europäische Imitation anzunehmen. Anders
scheint aber der Fall zu liegen bei einem vom Berliner Kunstgewerbe-
museum ausgestellten Teppich mit drei Eichlaubkränzen, von denen
stilisirte Ranken in kreuzförmiger Zusammensetzung umrahmt erscheinen.
In Berlin soll noch ein größeres Stück von gleicher Art und Musterung
vorhanden sein. Man ist geneigt, diesen Teppich auf eine spanische
Teppichknilpferei im 15. und 16. Jahrhundert zurückzuführen, von welcher
bei älteren Schriftstellern mehrfach die Rede ist, ohne dass wir angesichts
der Vieldeutigkeit der Bezeichnung vTeppichu auch in den nißhfdcutgchen
Sprachen bestimmt sagen könnten, ob darunter Knüpfteppiche zu ver-
stehen sind. Aus dem Charakter des Ornaments an jenem Berliner
Teppicli ist aber auch Nichts zu entnehmen, was zwingend für spanischen
Ursprung sprechen würde; dasselbe lässt sich vielmehr am besten dem
italienischen Renaissance-Ornament der zweiten Hälfte des Quattrocento
einreihen, und Professor Wickhoff macht mich aufmerksam auf ganz