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auf ein Kunstwerk stößt, in welchem die Idee des Christenthumes sieg-
reich und überzeugend zum Durchbruche kommt. Auf einer der letzten
Ausstellungen des Wiener Künstlerhauses hatten wir Gelegenheit, das
Gypsmodell eines für die Gruft der Prager Familie Ringhofer bestimmten
Crucifixes zu bewundern, eine Arbeit Myslbek's, die mit ihrer groß-
artigen Conception und tiefen Empündung unstreitig zu den bemer-
kenswerthesten Schöpfungen der modernen Grabsculptur gehört.
Jene künstlerisch ausgeführten Grabmäler, deren Inhalt ein durch
die Religion gegebener ist, treten naturgemäß immer mehr und mehr
zurück gegen diejenigen, in denen die Kunst den transcendentalen Fragen
aus dem Wege geht und sich sowie den Ueberlebenden einfach die Qual
der Wahl erspart. Sie findet einen allgemein giltigen Inhalt für den
Grabschmuck, indem sie den Charakter des Grabmales als eines Werkes
der Pietät einseitig hervorhebt, die Hinterbliebenen mit den Verstorbenen
in Verbindung setzt. Die Gefühle und Empfindungen der Hinterbliebenen
also sind es, die sie zum Gegenstande nimmt, und zwar lässt sich hier
ein Doppeltes unterscheiden: ein bildlicher Ausdruäk, die Allegorie, und
ein unbildlicher, directer, die Darstellung der Hinterbliebenen selbst.
Die Allegorie, welche einerseits das Gesammtbild eines Menschen
in Einzelzüge aufzulösen vermag, kann anderseits ein künstlerisches Mittel
von höchster Wirkung und Kraft sein, indem sie sich zur Trägerin eines
Gesammturtheiles, zu einer vox populi macht. Unter den Grabdenk-
mälern, deren Inhalt ein durch die Allegorie gegebener ist, sind also
zunächst diejenigen herauszugreifen, in denen die Allegorie sowohl das
Wesen und die Bedeutung des Verstorbenen, als auch unser Verhältniss
zu ihm charakterisirt. An erster Stelle nenne ich hier das Grabmal Eitel-
berger's, eine gemeinsame Arbeit von Stefan Schwartz und Hermann
l-Ierdtle, die in ihrer Gesammtanlage wie in ihren formenschönen Details
eine erfreuliche Frucht des Samens ist, den jener Mann ausgestreut hat.
Hier sitzt in einer einfachen Architektur die Allegorie der Kunstgeschichte,
welche über die mit dem Porträtmedaillon des Verstorbenen geschmückte
Grabplatte den Ruhmeskranz hält, der dem Wiedererwecker der Kunst-
industrie Oesterreichs gebührt. In ähnlicher Weise wie hier macht sich
die Muse der Musik zur Trägerin des Gesammturtheiles und der Dankes-
schuld unserer Zeit, wenn sie auf dem von Kundmann gefertigten Denk-
male Franz Schuberfs dessen Büste bekränzt. Auch die anmuthig bewegte
Figur, welche in lapidarer Kürze den Namen Oppolzer auf eine Stele schreibt,
von Victor Tilgner, dürfen wir als eines der schönsten Schmuckstücke des
Wiener Centralfriedhofes in diesem Zusammenhange nicht vergessen.
Bei jenen Denkmälern, welche nicht wie die eben besprochenen
berühmten Todten gelten, trägt die Allegorie natürlich einen ausschließlich
familiären Charakter. Dort schmückt ein Genius das Grabmal mit Blumen
- wie in einem hübschen Beispiele von Rudolf Weyr, das allerdings
mit seiner ganzen Auffassung und seinem spielenden Motive nicht recht