dass die Figur am Fußende kniend betet (Oxforder Zeichnung), ähnlich wie es
auch auf dem Stich und dem Arrazzetto der Fall ist. Als Beleg für diese
Wandlung könnte vielleicht eine Zeichnung aus der ehemaligen Sammlung
Gay in Paris (Braun 123) geltend gemacht werden. Die Gesammtan-
ordnung einer Beweinung Christi nach diesem Schema gibt am besten
das Bild von Fra Bartolornmeo in der Galerie Pitti wieder! Johannes
das Haupt Christi stützend, Magdalena zu seinen Füßen knieend, hinter
dem Leichnam und über diesen gebeugt die weinende Mutter.
Nach dem Gesagten lassen sich nun zwischen der unteren Gruppe
der Kreuzabnahme und- den Entwürfen RaKaeYs zur Beweinung Christi
einige Gemeinsamkeiten nicht verkennen, die einerseits die Composition
im Allgemeinen, anderseits auch gewisse Einzelheiten in den VFiguren
betreffen ').
Es soll zwar keineswegs behauptet werden, dass RalTael für die
Atalanta Baglioni zu allererst eine Kreuzabnahme zu malen beabsichtigt
und darauf bezügliche Studien gemacht hätte. Aber das Eine dürfte als
wahrscheinlich geltend gemacht werden, dass sich unter den auf das Bild
für die Baglioni bezüglichen Studienblättern eines befunden haben mochte,
das sich mit der unteren Gruppe der Kreuzabnahme nahe berührte, und
einerseits für den Stich Marcanton's, anderseits für den Carton zum
Arrazzetto benützt worden ist. Dass die Studienblätter RaffaePs zur Grab-
legung später von Seite Marcanton's Veirwerthung gefunden haben, be-
weist ja die Beweinung Christi B. 37, deren ligurale Composition augen-
scheinlich auf jene Oxforder Raffael-Zeichnung (Braun 20) zurückgeht,
während das Landschaflliche darin wörtlich aus einem Stiche des Lucas
van Leyden herlibergenommen ist. Wenn wir uns nun dasselbe Verhältnis:
auch für die Kreuzabnahme zutreffend denken wollen, so sind wir folge-
richtig gezwungen nicht nur die untere, sondern auch die obere Gruppe,
die ebenfalls dem Stiche und dem Arrazzetto gemeinsam ist, dem zu
Grunde liegenden Archetypus zu vindiciren, wobei es natürlich offen
bleiben muss, dass die obere Gruppe nicht von der Hand des Meisters
selbst, sondern von einem seiner Schüler entworfen sein könnte. Denn die
Schulverwandtschaft mit Ralfael lässt auch die obere Gruppe nicht ver-
kennen.
Aber selbst die unmittelbare Antheilnahme RaFfaePs wäre vielleicht
für diese obere Gruppe zu erweisen, wenn wir heute im Stande wären,
die Nachricht Zani's ') zu controliren, wonach zu seiner Zeit in der Samm-
lung des Don Ciccio di Luca zu Neapel sich eine Originalzeichnung
') In der Albertina befindet sich eine Federzeichnung (reproducirl in Nr. 23! der
vom Oesterr. Museum herausgegebenen Photographien); die ohne Zweifel mit der
stützenden Maria der Kreuzabneihme zusammenhängt. Sie ist im Gegensinne gehalten, aber
leider nicht frei von dem Verdechte, nach dem Stiche gezeichnet zu sein.
- ') Euciclopedie P. II, vol. VIII, x67 f.