worden ist, scheint mir nicht so schwer in's Gewicht zu fallen. Stichhältiger
ist jedenfalls die weitere Bemerkung Delahordäs, dass der Raum zwischen
den beiden Leitern als klaKende Lücke in der Composition erscheint, da er
durch die Landschaft im Hintergrunde nur ungenügend ausgefüllt wird.
In der That fehlt es im Stiche an einer ausreichenden Vermittlung zwischen
der oberen und der unteren Figurengruppe; es bleibt indess fraglich, 0b
die Schuld hieran dem Zeichner oder dem Stecher beizumessen ist. Die
Möglichkeit einer Mitwirkung RaffaeYs an der Entstehung des Stiches ist
also keineswegs von Vornherein abzuweisen.
Vor Allem müssen wir uns nun das Verhältniss klar machen, das
zwischen dem Arrazetto und dem Stiche obwaltet. Auf Grund einer ober-
Hächlichen Betrachtung könnte man zunächst geneigt sein, den ersteren
unmittelbar nach dem letzteren entstanden sein zu lassen. Diese Annahme
verliert aber schon dadurch viel an Wahrscheinlichkeit, dass der Arrazzetto
nicht im Verhältnisse des Gegensinns zum Stiche steht, wie es die Technik
der Wirkerei gegenüber dem Carton mit sich bringt, und wie es- um nur
ein classisches Beispiel zu citiren - bei den vaticanischen Arrazzi gegen-
über den Ratfael-Cartons in Hamptoncourt der Fall ist. Wenn wir vollends
Stich und Arrazzetto einer genauen Vergleichung unterziehen, so ergeben
sich trotz der engen Verwandtschaft in den beiderseitigen Figurengruppen
doch zahlreiche Differenzen, die nicht lediglich aus der Uebertragung in
die Gobelintechnik und der dadurch bedingten theilweisen Vergröberung
und Verziehung der Formen erklärt werden können.
Namentlich in Bezug auf das landschaftliche Beiwerk springt die
Verschiedenheit sofort in die Augen. Gemeinsam ist nach dieser Richtung
blos die Vertheilung der oberen und unteren Gruppe auf zwei ver-
schiedene Terrainstufen, von denen die obere im scharfen Abschnitt gegen
die untere abfällt; sonst ist Alles verschieden. Der Stich zeigt im Vorder-
grunde blos zwei Nägel, einige Steinchen und Erdschollen, ferner das
Täfelchen des Stechers. Der Arrazzetto enthält dagegen außer der Terrain-
andeutung noch zu beiden Seiten den Strunk des in halber Höhe abge-
brochenen Kreuzes eines Schächers, ferner einen kurzen Baumstumpf und
drei Blattbüsche. Im Hintergrunde erblickt man auf dem Stiche die breit
hingelagerte umwallte Häusermasse von Jerusalem, und dahinter in
sanften Wellen verfiießende Berge mit verstreutem Baumwuchs. Auf dem
Arrazzetto gewahrt man dagegen zwei schroffwandige Felsmassen, eine
kleine Gruppe von Häusern und Thürmen, ferner eine Rundbogenbrücke
mit zinnenbekrönter Brustwehr und einem spitzen Thurme darüber: ein
landschaftlicher Hintergrund, der zwar vollkommen der Zeit um etwa
1520 entspricht, aber, wie schon oben bemerkt wurde, aus einem nordischen
Stiche entlehnt sein dürfte.
Auch in Bezug auf die menschlichen Figuren fehlt es nicht an Ver-
schiedenheiten. Die meisten darunter sind allerdings untergeordneter Art,
hie und da bauscht sich ein Gewandzipfel, verlauft irgend ein Theil einer