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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 2)

worden ist, scheint mir nicht so schwer in's Gewicht zu fallen. Stichhältiger 
ist jedenfalls die weitere Bemerkung Delahordäs, dass der Raum zwischen 
den beiden Leitern als klaKende Lücke in der Composition erscheint, da er 
durch die Landschaft im Hintergrunde nur ungenügend ausgefüllt wird. 
In der That fehlt es im Stiche an einer ausreichenden Vermittlung zwischen 
der oberen und der unteren Figurengruppe; es bleibt indess fraglich, 0b 
die Schuld hieran dem Zeichner oder dem Stecher beizumessen ist. Die 
Möglichkeit einer Mitwirkung RaffaeYs an der Entstehung des Stiches ist 
also keineswegs von Vornherein abzuweisen. 
Vor Allem müssen wir uns nun das Verhältniss klar machen, das 
zwischen dem Arrazetto und dem Stiche obwaltet. Auf Grund einer ober- 
Hächlichen Betrachtung könnte man zunächst geneigt sein, den ersteren 
unmittelbar nach dem letzteren entstanden sein zu lassen. Diese Annahme 
verliert aber schon dadurch viel an Wahrscheinlichkeit, dass der Arrazzetto 
nicht im Verhältnisse des Gegensinns zum Stiche steht, wie es die Technik 
der Wirkerei gegenüber dem Carton mit sich bringt, und wie es- um nur 
ein classisches Beispiel zu citiren - bei den vaticanischen Arrazzi gegen- 
über den Ratfael-Cartons in Hamptoncourt der Fall ist. Wenn wir vollends 
Stich und Arrazzetto einer genauen Vergleichung unterziehen, so ergeben 
sich trotz der engen Verwandtschaft in den beiderseitigen Figurengruppen 
doch zahlreiche Differenzen, die nicht lediglich aus der Uebertragung in 
die Gobelintechnik und der dadurch bedingten theilweisen Vergröberung 
und Verziehung der Formen erklärt werden können. 
Namentlich in Bezug auf das landschaftliche Beiwerk springt die 
Verschiedenheit sofort in die Augen. Gemeinsam ist nach dieser Richtung 
blos die Vertheilung der oberen und unteren Gruppe auf zwei ver- 
schiedene Terrainstufen, von denen die obere im scharfen Abschnitt gegen 
die untere abfällt; sonst ist Alles verschieden. Der Stich zeigt im Vorder- 
grunde blos zwei Nägel, einige Steinchen und Erdschollen, ferner das 
Täfelchen des Stechers. Der Arrazzetto enthält dagegen außer der Terrain- 
andeutung noch zu beiden Seiten den Strunk des in halber Höhe abge- 
brochenen Kreuzes eines Schächers, ferner einen kurzen Baumstumpf und 
drei Blattbüsche. Im Hintergrunde erblickt man auf dem Stiche die breit 
hingelagerte umwallte Häusermasse von Jerusalem, und dahinter in 
sanften Wellen verfiießende Berge mit verstreutem Baumwuchs. Auf dem 
Arrazzetto gewahrt man dagegen zwei schroffwandige Felsmassen, eine 
kleine Gruppe von Häusern und Thürmen, ferner eine Rundbogenbrücke 
mit zinnenbekrönter Brustwehr und einem spitzen Thurme darüber: ein 
landschaftlicher Hintergrund, der zwar vollkommen der Zeit um etwa 
1520 entspricht, aber, wie schon oben bemerkt wurde, aus einem nordischen 
Stiche entlehnt sein dürfte. 
Auch in Bezug auf die menschlichen Figuren fehlt es nicht an Ver- 
schiedenheiten. Die meisten darunter sind allerdings untergeordneter Art, 
hie und da bauscht sich ein Gewandzipfel, verlauft irgend ein Theil einer
	        
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