näherei zu ersetzen vermag, ebensowenig ist es bisher gelungen, die un-
mittelbare Handarbeit in der Gobelinwirkerei durch mechanische Hilfs-
mittel auch nur zu vereinfachen, geschweige zu ersetzen: der technische
Witz steht eben in beiden Fällen im umgekehrten Verhältnisse zum
künstlerischen Vermögen. Die radicale Umwälzung der Arbeits- und
Lohnverhältnisse in unserer Zeit hat es aber bewirkt, dass derlei subtile
Erzeugnisse der blossen Handarbeit heute noch viel mehr als in früheren
Zeiten nur von den Höchstbemittelten erworben und verwerthet werden
können.
Die kahle, getünchte Wand darf man nunmehr nach 25 Jahren
kunstgewerblicher Reformthätigkeit aus dem bürgerlichen Wohnhause
wohl als verbannt ansehen. Man hat gelernt, sie mit Tapeten zu ver-
kleiden, deren Verzierungen den neutralen Textilmustern des Orients und
der Renaissance entlehnt sind. Für gewöhnliche Zwecke werden solche
Wandtapeten aus Papier hergestellt, für vornehmere Räume aus textilem
Materiale, namentlich aus Seide. ln ersterem Falle ist es das Druckver-
fahren, in letzterem der mechanische Webstuhl, wodurch die Herstellung
dieser Tapeten zu einer verhältnissmäßig billigen gemacht wird. An den
langjährigen Bemühungen, die der durchgreifenden Einführung einer
solchen gefälligen Wandverkleidung in den Wohnungen der heutigen
Generation vorausgegangen sind, hatte das Oesterr. Museum von
Anbeginn den hervorragendsten Antheil genommen. Nun glaubt es das
in dieser Richtung Begonnene zu vollenden, indem es auf die voll-
kommenste Art des Wandschmuckes, auf die mit f-iguralen Darstellungen
ausgestatteten gewirkten Wandbehänge hinweist und deren Geschichte
aus früheren glücklicheren Jahrhunderten in einer erlesenen Anzahl von
Denkmälern vor Augen führt.
Wenn nun das Museum mit dieser Ausstellung in den begüterten
Kreisen der Bevölkerung die Lust an der edelsten Art des Wand-
schmuckes wieder zu erwecken, den Wunsch nach dem Besitze einer
solchen zu erregen und im Gefolge des einmal erwachten Bedürfnisses
auch die Möglichkeit der Begründung einer einheimischen Industrie
dieser Art zu schaffen trachtet, so verfolgt es damit zugleich noch einen
anderen nicht minder praktischen Zweck, der gleichfalls in der Tradition
der Anstalt begründet ist und dessen zielbewusste Verfolgung vielfach zu
den schönsten Erfolgen geführt hat.
Es gilt nämlich die Erhaltung einer alten Kunsttechnik, die noch
vor wenigen Jahrzehnten zum Aussterben verurtheilt schien, und aller
Voraussicht nach auch nur in der Gestalt einer Luxusindustrie am Leben
zu erhalten sein wird. Es liegt nämlich diesen höchsten Leistungen der
textilen Kunst, wie man die Gobelins mit Bezug auf ihre inhaltliche
Ausstattung und ihre Zweckbestimmung wohl nennen darf, die primitivste
aller textilen Techniken, die Wirkerei, zu Grunde. Einstmals, vor vielen
Jahrhunderten war diese Technik allmächtig gewesen, und noch im spät-