S. Bernwardus von Hildesheim in seiner Zeit.
Von Prof. Dr. W. A. Neumenn.
(Fortsetzung)
Ein zweites hochadeliges Damenstift hat Schätze von unnennbarem
Werthe besessen, deren Reste bis heute sich erhalten haben, ich meine
Quedlinburg. Hier stand der Palast Heinrich's des Finklers, erwähnt
in einer Urkunde desselben von 922. Noch heißt bis heutzutage eine
Häusergruppe am Wege zum Stifte: Heinrich's Finkenherd. Ein Jahr vor
Heinrich's Tode ward die Uebersiedlung der Nonnen von Winathusen
nach Quedlinburg geplant, 935, aber erst unter Otto l., 937, ausgeführt.
Zu Bernward's Zeit waltete hier Mathilde, die Tochter des Kaisers Otto
des Großen als Aebtissin, 966 bis 999. Otto lll. hat sie während seiner
Abwesenheit zur Reichsverweserin gemacht. Sie starb, seinen traurigen
Tod vielleicht vorahnend, als Vertreterin einer älteren Politik gegenüber
der Nachahmung byzantinischer Herrlichkeit, welche Otto in Scene
setzte. - Die Nonnen von Quedlinburg zeichneten sich aus nicht allein
durch Pflege der Wissenschaften, sondern auch als Stickerinnen und als
Förderinnen edelster Goldschmiedekunst. lch will aus Bernward's Zeit
eben nur den Prachteinband in Gold mit dem Bilde der Madonna her-
vorheben, und dies deshalb, weil die prachtvollen Cloisonnes der Trierer
Goldschmiedeschule angehören. .
Auch Gandersheim gehört in die Reihe der kunstliebenden Nonnen-
stifte. Leider sind seine Schätze verstreut, wahrscheinlich auch Vieles
davon eingeschmolzen. Als Bernward am Hofe weilte, war Gerbirg hier
Aebtissin, die Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich des Zänkers, die
Schwester der Herzogin Hedwig von Schwaben, die Tante des nach-
maligen Kaisers Heinrich ll. Von Gerbirg"s Person ist die berühmte
Hrosvitha von Gandersheim unzertrennbar; preist doch die Letztere ihre
Aebtissin als ihre Lehrerin. Durch diese zwei Frauen glänzt das Stift
als Pflegeschule classischer Studien. Noch unter Gerbirg war Sophia, die
Schwester des jungen Königs, Otto lll., in Gandersheim Nonne geworden
und hatte gleich bei ihrem Eintritte den lange sich hinziehenden Ganders-
heimer Streit zwischen Mainz und Hildesheim angeregt, denn sie wollte
auf ein allzu wörtlich aufgefasstes päpstliches Privilegium vom Jahre 948
sich berufend, nicht vom Bischofe Osdag von Hildesheim, sondern vom
Metropoliten selbst den Schleier empfangen. Mit ihr scheint wirklich der
Stolz, und mit ihm der Luxus, und mit ihnen der Verfall in das Stift
eingezogen zu sein. Da sie allzulange und vielleichtin etwas unvorsichtiger
Weise sich am Hofe bewegte, scheint der Hildesheimer Cleriker, Bern-
ward, sie an ihre Präsenzpiiicht in unliebsamer Weise gemahnt zu haben,
sie zog nach Mainz zu Willigis, und ihr Zorn gegen Hildesheim übertrug
sich nun aus persönlichen Gründen auf Bernward. Auch Willigis selbst
kehrte sich gegen ihn.