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Sie alle sind doch nur Bilder; sie konnten dem plastischen Sinn des
Deutschen nicht genügen. Sie sind selbst nach dem Bilderstreite, doch
nur eine Concesslon, welche die Malerei an die Plastik macht; sie stehen an
der Grenze zwischen zwei Kunstgebieten, namentlich wenn sie bemalt sind.
Wie roh die Gestalten sind, kaum menschlichen Figuren ähnlich, die von
altgermanischer Zeit her sich bis in unsere Tage erhalten haben, sie
sind plastisch. Byzanz hat selbst, nachdem der Bilderstreit beigelegt war,
sich einer Furcht vor der Plastik nie erwehrt.
Die Rückreise von Rom nahm Bernward über Chiusi, Octodunum,
nach Agaunum, jetzt S. Maurice im Walliserlande, der alten, damals
als Goldschmiedestätte berühmten Hauptstadt, daselbst freundlich auf-
genommen vom letzten Burgunderkönige Rodulf III., dem Neffen der
Kaiserin-Regentin Adelheid, dem Bruder jener Gisela, welche die Mutter
des Kaisers Heinrich Il. war. Manches, was den Schatz von Sitten (Sion)
und S. Maurice heutzutage bildet, wird schon Bernwardus gesehen haben;
vielleicht hatte schon Tendericus das in uraltem Geschmacke - mero-
wingisch nennt man ihn, weil er auf merowingischen Funden zu sehen
ist - gezierte Kästchen gefertigt, mit den in geschnittenen Edelsteinen
imitirten Cloisonnes. Vielleicht lebte noch einer der Künstler Undiho
und Ello, welche im g. oder to. Jahrhunderte hier sollen geblüht haben.
Wer kann für jene Jahrhunderte die Zeiten sicher bestimmen? Höchst
wahrscheinlich hat man ihm jenes persische Goldgefäß mit den pracht-
vollen Emaillen gezeigt: wir haben an diesem Gefäße einen Repräsen-
tanten der Vasa transmarina, von denen Thancmar in der Vita Bern-
wardi spricht. Höchst wahrscheinlich auch war damals schon der antike
Sardonyit-Krug mit dem goldenen Fuß und Henkel vorhanden: im Fuße
und am Oberrande wieder die Verroteries cloisonnes, von denen eben ge-
sprochen wurde. Aber das waren Techniken, die für Sachsen nicht passten:
das war eine an uralte germanische und fränkische Zeiten erinnernde
Arbeit, nschottischu dürfte sie Bernward genannt haben. Und was er an
wirklichen Email cloisonne sah, das war eben als Nachahmung byzan-
tinischer Arbeit entstanden und vermochte den Bernward, bei seinen
byzantinischen Erfahrungen vom Hofe her, nicht besonders zu begeistern:
denn allerdings ist es sehr leicht denkbar, dass gerade in den Tagen,
da Bernward das weltliche Canonikerstift Agaunum besuchte, daselbst für
König Rodulf jene Emailplatten erzeugt wurden, welche den ältesten
Bestandtheil der römisch-deutschen Kaiserkrone bilden. Auf einen kranken
König, dem Gott das Leben verlängert hat, beziehen sich die Bilder und
lnschriften dieser Krone: nach Rodulf III. Tode kamen die Kroninsignien
Burgunds an den Nachfolger des Kaisers Heinrich Il. - Der Weg dürfte
den h. Bernward auf der Römerstraße über Aventicum an den Rhein
nach der" alten und wahrscheinlich auch damals schon durch Gold-
schmiede-Arbeit berühmten Stadt Basel gebracht haben. Hat ja doch
wenige Jahre nachher hier der Kaiser Heinrich Il. die goldene Altartafel