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Litteratur-Bericht.
Fünfzig Jahre gewerblicher Thätigkeit. Festschrift zur Feier des Sojäh-
rigen Jubiläums des Niederösterr. Gewerbevereines. Herausgegeben von
demselben. Wien, 1890. 8". 4.30 S.
Dieses Buch geht weit über die Bedeutung einer Gelegenheitsschrift hinaus, als
welche es entstanden ist. Aus den Acten des Vereins und sonstigen Quellen vom Vereins-
secretar Dr. Emil Auspitzer fleißig und zuverlässig gearbeitet, gibt es nicht blos eine
Geschichte des Niederösterr. Gewerbevereins von seiner Gründung bis zum Schluss
seines ersten halben Jahrhunderts, es ist auch als eine zeitgeschichtliche Quelle zu be-
trachten, als ein culturgeschichtliches Werk, das auf dem Gebiete des Gewerbes, der
Großindustrie, der Handelspolitik, der Gewerbegesetzgehung ein interessantes und lehr-
reiches Bild entrollt. Das Bild ist interessant und lehrreich um seiner selbst willen, ins-
besondere aber auch, weil eben in diesem halben Jahrhundert eine Entwickelung statt-
fand, die von den absolutistischen, vollkommen gebundenen vormarzlichen Zustanden zu
Ireiheitlicher Entwickelung und wieder zu einer gewissen gewerblichen Gebundenheit
überging. Ueberaus interessant ist die Entstehungsgeschichte des Vereines unter den
schwierigsten und widerwilligsten Verhältnissen dargestellt. Wir sehen mit Theilnahme,
wie die entschlossenen und klar blickenden Männer, welche den Verein gründeten, den
Widerwartiglteiten Trotz boten, muthig ausharrten undbder Thatigkeit des Vereinei ein
Feld nach dem andern eroberten und die öffentliche Anerkennung, die Anerkennung der
Regierung sich errangen. Es kamen auch Zeiten, und sie sind in unserem Buche nicht
verschwiegen, wo die Theilnahme erlahmte, wo Parteiungen und Intriguen entstanden
und mit Spaltungen drohten. Der Verein hat aber auch diese Krisen überstanden und
sich insbesondere in den letzten Iünlzehn Jahren zu erneuter und gesteigerter Thatigkeit
erhoben, für welche die allgemeine Theilnahme an der Jubiläumsfeier ein redendes
Zeugniss ablegte. Mit der Gründung des Technologischen Museums hat er dann noch
in den letzten zehn Jahren ein Werk geschahen, das vielleicht, wenn andere Zeiten
andere Einrichtungen verlangen, ihn selber überdauern wird. Wie vielseitig die Thatigkeit
gewesen, auf welche Zweige des otTentlichcn Lebens sie sich erstreckt hat, welche locale
und allgemeine Fragen der Volkswirthscltaft von ihr behandelt worden sind, wie sehr
der Verein für die freiheitliche Entwickelung der gewerblichen Zustande gekampft hat,
ist in unserem Buche ausführlich zu lesen. Dem lnhalt nach ist dasselbe so angeordnet,
dass es zuerst die Geschichte des Vereines selber von Jahr zu Jahr erzählt und dann in
einem zweiten Theile von seiner Thatigkeit berichtet. Diese ist gegliedert nach den
folgenden Abschnitten: Förderung der technischen Vollendung in den einzelnen Gewerben,
Pflege des Geschmacks, Unterricht, Technologisches Gewerbemuseum, Ausstellungen,
Gewerbepolitik, Zollpolitik, Handel und Verkehr und Wiener Fragen. Ein Anhang des
Werkes von mehr statistischer Art bringt noch Mittheilungen über Schulen, Vortrage,
Publicationen, Excursionen, Musterlager, Ausstellungen, sowie endlich Personalien.
J. v. F.
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La reine Marie Antoinette. Par Pierre de Nolhac. Mit Illustrationen
nach zeitgenössischen Originalen. Paris, 1890. 4'. 189 S.
Die Geschichte der Kbnigin Marie Antoinette reizt immerfort zu neuer Darstellung;
sie wird mit ihrem Glück und Unglück, mit ihrer Lust und ihrer Trauer, wie sie jedes
menschliche Gernüth bewegt, noch nach Jahrhunderten ihre Anziehungskraft auf geist-
volle Schriftsteller bewlhren, wenn langst alle Leidenschaft der Parteien ihr abgestreift
ist. In diesem Buche ist sie auf's Neue und gut erzählt, gegründet auf gleichzeitigen
Quellen und begleitet von Abbildungen nach zeitgenössischen Gemälden oder Stichen,
welche uns die Portrats einiger der Hauptpersonen dieses großen Drama's vorführen:
den König und die Königin, die Prinzessin Larnballe, die Herzogin von Polignac, Calonne
und Turgot u. A., dazu Feste und Oertlichkeiten, insbesondere die Lieblingsstatten aus
dem Park von Klein-Trianon. Diese Abbildungen, entweder Stiche oder Aquatintamanier
oder in farbigem, mit Gold gehühtem Stich, wie das dem Titel beigegebene Portrat der
Königin selbst, machen mit dem festen, soliden Papier und splendiden Druck das Werk
zu einem Prachtwerk vom vornehmsten Geschmack, welches den Herausgebern und
Druckern Boussod, Valadnn dt Comp. zur Ehre gereicht. Es unterscheidet sich dadurch
sehr vortheilhaft von den meisten Prachtwerken deutscher Herkunft, welche, mehr glatt
als solide ausgestattet, reicher, aber auch oberflächlicher in den Illustrationen, das Auge
reizen, ohne den Sinn für die Dauer fesseln zu können. Es scheint den Franzosen der
Gedanke zu kommen, dass diese auf die Menge berechneten Luxuswerke sich überlebt
haben. Sie kehren zu einfacherer, aber vornehrner Manier zurück; sie geben weniger
an Illustration, aber Besseres. J. v. F.
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