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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 6)

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intime gewesen sein müssen. Denn sehr bald nach Bekanntwerden der 
berühmten Aldinen beginnt auch für die französische Buchbinderei die 
Blüthezeit, welche stets an den eben genannten Namen Grolier geknüpft 
bleiben wird. 
Zeichnerisch charakterisiren sich die Einbände dieser Zeit durch das 
die Fläche in schönen Verhältnissen und gleicher Massenvertheilung aus- 
füllende Bandwerk, das in der Regel durch freigeschwungene, mit Blätter- 
werk verzierte Linien auf das Wirksamste durchbrochen und bereichert 
wird; Mitte und Rand, diese beiden wichtigsten Theile der begrenzten 
Fläche, sind dabei in klarer, aber nicht harter Weise auseinandergehalten; 
der Buchrücken ist in den älteren Arbeiten durch Bünde getheilt, die 
später oft weggelassen werden, und in seiner ornamentalen Ausschmückung 
stets in Uebereinstimmung mit der Buchdecke. 
Im Anschlusse an die Namen Grolier und Majoli müssen die Namen 
Tory und Canevari genannt werden. Wenn sie auch, gegen jene gehalten, 
keinen neuerlichen Fortschritt bedeuten, so hält sich doch unter ihnen 
die Kunst auf derselben Höhe wie bisher. lhnen folgen de Thou, der 
Bücherfreund, und Eve, der Buchbinder. Mit des Letzteren Wirksamkeit 
stellt sich ein gemäßigter Naturalismus ein, der durch Einführung neuer 
ornamentaler Motive in der Art des Lorbeerzweiges der Kunst der Buch- 
decoration einen nicht unwesentlichen Dienst leistet, zumal weder die 
orriamentale Gesammtdisposition noch das Detail an Correctheit und 
Eleganz etwas zu wünschen übrig lassen. - Mit Eve verwandt und 
doch wieder verschieden sind die Einbände im Stile Le Gascons, welcher 
mit seinen Arbeiten die ganze erste Hälfte des 17. Jahrhunderts beherrscht. 
Seine punktirten Stempel und Spirallinien verrathen deutlich metallo- 
technische Einflüsse, wahrscheinlich orientalischer Herkunft. Ueberhaupt 
lässt sich eine gewisse Wechselbeziehung zwischen der Decorationsweise 
des Metalls und des Leders zu allen Zeiten erkennen, weshalb denn auch 
der Verfall dieser beiden Künste in dieselbe Zeit, das Ende des 17. Jahr- 
hunderts, fällt. 
Dem Gasconstile folgt der Spitzenstil, welcher sich, ein echter 
Modestil, den damals allgemein beliebten Spitzenschmuck im Kleiderwesen 
zum Vorbild nahm. Wir müssen ihn, trotz aller Feinheit seiner Detail- 
durchbildung, doch als den sich nunmehr allmälig einstellenden Verfall 
bezeichnen, besonders wenn wir ihn mit dem ernsten und vornehmen 
Genre eines Grolier vergleichen. Im Uebrigen kann man immer, die Sache 
im Großen und Ganzen in's Auge fassend, diesen Spitzenstil als die 
letzte Etape der Buchrenaissance in Frankreich betrachten. Was nun 
folgt ist entschiedener Verfall. Denn weder die tapetenartige Musterung 
zu Beginn des 18. Jahrhunderts, noch auch das aller Materialangemessen- 
heit hohnsprechende Schnörkelthum des Rococo, welches nach und nach 
alle Formen, auch der Kleinkunst verschlingt, verdient eine andere Be-
	        
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