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intime gewesen sein müssen. Denn sehr bald nach Bekanntwerden der
berühmten Aldinen beginnt auch für die französische Buchbinderei die
Blüthezeit, welche stets an den eben genannten Namen Grolier geknüpft
bleiben wird.
Zeichnerisch charakterisiren sich die Einbände dieser Zeit durch das
die Fläche in schönen Verhältnissen und gleicher Massenvertheilung aus-
füllende Bandwerk, das in der Regel durch freigeschwungene, mit Blätter-
werk verzierte Linien auf das Wirksamste durchbrochen und bereichert
wird; Mitte und Rand, diese beiden wichtigsten Theile der begrenzten
Fläche, sind dabei in klarer, aber nicht harter Weise auseinandergehalten;
der Buchrücken ist in den älteren Arbeiten durch Bünde getheilt, die
später oft weggelassen werden, und in seiner ornamentalen Ausschmückung
stets in Uebereinstimmung mit der Buchdecke.
Im Anschlusse an die Namen Grolier und Majoli müssen die Namen
Tory und Canevari genannt werden. Wenn sie auch, gegen jene gehalten,
keinen neuerlichen Fortschritt bedeuten, so hält sich doch unter ihnen
die Kunst auf derselben Höhe wie bisher. lhnen folgen de Thou, der
Bücherfreund, und Eve, der Buchbinder. Mit des Letzteren Wirksamkeit
stellt sich ein gemäßigter Naturalismus ein, der durch Einführung neuer
ornamentaler Motive in der Art des Lorbeerzweiges der Kunst der Buch-
decoration einen nicht unwesentlichen Dienst leistet, zumal weder die
orriamentale Gesammtdisposition noch das Detail an Correctheit und
Eleganz etwas zu wünschen übrig lassen. - Mit Eve verwandt und
doch wieder verschieden sind die Einbände im Stile Le Gascons, welcher
mit seinen Arbeiten die ganze erste Hälfte des 17. Jahrhunderts beherrscht.
Seine punktirten Stempel und Spirallinien verrathen deutlich metallo-
technische Einflüsse, wahrscheinlich orientalischer Herkunft. Ueberhaupt
lässt sich eine gewisse Wechselbeziehung zwischen der Decorationsweise
des Metalls und des Leders zu allen Zeiten erkennen, weshalb denn auch
der Verfall dieser beiden Künste in dieselbe Zeit, das Ende des 17. Jahr-
hunderts, fällt.
Dem Gasconstile folgt der Spitzenstil, welcher sich, ein echter
Modestil, den damals allgemein beliebten Spitzenschmuck im Kleiderwesen
zum Vorbild nahm. Wir müssen ihn, trotz aller Feinheit seiner Detail-
durchbildung, doch als den sich nunmehr allmälig einstellenden Verfall
bezeichnen, besonders wenn wir ihn mit dem ernsten und vornehmen
Genre eines Grolier vergleichen. Im Uebrigen kann man immer, die Sache
im Großen und Ganzen in's Auge fassend, diesen Spitzenstil als die
letzte Etape der Buchrenaissance in Frankreich betrachten. Was nun
folgt ist entschiedener Verfall. Denn weder die tapetenartige Musterung
zu Beginn des 18. Jahrhunderts, noch auch das aller Materialangemessen-
heit hohnsprechende Schnörkelthum des Rococo, welches nach und nach
alle Formen, auch der Kleinkunst verschlingt, verdient eine andere Be-