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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 7)

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ausgestaltete Vertiefung des inneren Theiles der Patene ist für Hildesheim 
keine Seltenheit. Die Darstellung der Maiestas Domini, welche die fünf 
Wundmale zeigt, ist für das n. Jahrhundert nicht auffallend, findet: sich 
beispielsweise auch am Kreuze der Gunhildis in Kopenhagen. Der Gedanke, 
dass die Maiestas Domini die vier Evangelistenbilder (d. h. die vier Wesen 
der Ezechielischen Cherubsgestalten) umgeben, ist ebenfalls nichts, was 
dem heil. Bernwardus nicht zugeschrieben werden könnte; liegt ja doch 
die biblische Grundlage dieser Darstellungen nahe genug: es ist das 
4. Capitel der Apokalypse. - Ueber diese Schilderung tritt unsere 
Patena noch hinaus, denn ihre Zeichnung gibt dem thronenden Erlöser noch 
überdies die vier Cardinaltugenden als Thronassistenten. Diese erscheinen 
in den Karolingischen Bibeln als Begleiterinnen zunächst irdischer Per- 
sonen: in der Viviansbibel (845-850) auf einem Davidsbilde; in der 
Ada-Handschrift in der Umgebung Karls III.; im Sacramentar von 
Autun (ca. 845 in Tours entstanden); in dem des Abtes Raganaldus, der 
das Volk segnet, und noch 975 in dem von K. Aruulf nach S. Ernmeram 
gebrachten Codex als Umgebung des Abtes Ramwold von S. Emmeram. 
An unserer Patene ist Jesus Christus als der Urgrund dieser Tugenden, als 
Herr und König aller Seligkeit dargestellt: oder, wenn man will, die durch 
ihre Symbole vertretenen vier Evangelisten verkünden sein Wort als Lehr e, 
die Cardinaltugenden sind die Früchte, die diese Predigt tragen soll. 
Wenn die vier Cardinaltugenden gar keine sie kennzeichnenden Symbole 
haben, sondern nur durch lnschriften erkennbar sind, so muss erwähnt 
werden, dass auch an einem Tragaltar im Natiunalmuseum in München, 
der aus einer dem S. Bernwardus naheliegenden Zeit stammt, dieselbe 
mangelhafte Art der Symbolisirung sich findet; dann ist zu erwägen, 
dass vielleicht noch kein mit Miniaturen geschmiicktes Exemplar der 
Psychomachia von Prudentius, des Kampfes der Tugenden mit den Lastern, 
in sächsischen Landen bekannt war; ferner ist zu erwägen, dass selbst 
wenn S. Bernwardus oder der Zeichner der Patene einen oder den andern 
der aus karolingischer Zeit stammenden Codices mit den wohl symbolisirten 
vier Cardinaltugenden gekannt hat (man sehe beispielsweise die Abbildung 
-der Fortitudo aus dem Sacramentarium von Autun, bei Janitschek, Ge- 
schichte der deutschen Malerei, S.'5l.), er diese Beigabe der Kennzeichen 
schon deshalb nicht durchführen konnte, weil die Enge des Raumes 
eine solche widerräth. Zwei Gründe aber, welche für S. Bernwardus als den 
Urheber der Patene sprechen, sind r. die constaute Tradition vom Dome 
zu Braunschweig, welche ihren Ausdruck darin fand, dass die Patene 
daselbst als Reliquie behandelt und in einer Monstranze als Reliquie 
dem Volke zur Verehrung ausgestellt wurde, und welche in einem dem 
14. Jahrhunderte entstammenden Inschriftstreifen ihre schriftliche Fixirung 
erfuhr, und z. die Thatsache, dass an der S. Godehardskirche in Hildes- 
heim eine Patene gezeigt wird, welche genau denselben vertieften Acht- 
pass im Innern des Tellers, dieselbe Christusfigur und genau dieselbe
	        
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