Jemehr wir uns der späteren Zeit nähern, also bereits im reifen
Mittelalter, begegnet jedoch die Wahrnehmung, dass das Bewusstsein von
jener ursprünglichen Bedeutung des Wortes, wofür im Vorausgehenden
die wichtigsten Zeugnisse gesammelt sind, allmälig zu verblassen anfängt
und dasjenige Missverständniss an die Stelle tritt, in welchem befangen
die moderne Sprache sich seiner bedient. Die Beispiele dafür häufen sich
seit dem 15. Jahrhundert, bis der neue Usus in der Renaissancezeit,
welche, wie in so vielen anderen Dingen, mit dem Worte der antiken
Sprache auch des sachlichen Verständnisses sich vollkommen bemächtigt
zu haben meinte, stabil zu werden beginnt. Hier nur einige Beispiele.
Bei Sanutus, lib. llI., part. 3, cap. 21, lesen wir: turrim conspicuunt
variis stratam marmoribus, opere depictam Mosuico. Der deutsche Dichter
Muscatblut (15. Jahrhundert, ed. von Grote, Köln 1852) hat eine Stelle,
worin gesagt wird, der Winter solle dem Mai das Feld räumen, der
Plan sei durchmuosiret, gar herrlich florieret. Hier ist schon an die
Wirkung des Bunten, nicht des Goldes allein, gedacht. Ausnahmsweise
finde ich die Verwechslung allerdings schon bei einem älteren Dichter,
Wolfram von Eschenbach, in dessen Parzival, l. 278, eine Fülle ver-
schiedener Edelsteine in einem Behälter, oEenbar im Hinblick auf ihre
mannigfachen Farben, mit der gesteine muose bezeichnet wird. Dabei
scheint mir aber wichtig zu bemerken, dass Wolfram das nur an jener
Stelle von ihm gebrauchte Wort in der richtigen Bedeutung überhaupt
nicht kennt, wie er im Ganzen überhaupt - was zu Gottfried's Kritik
über ihn passt - wenig Sinn und Kenntniss für die bildende Kunst
verräth. Der lrrthum, der darin besteht, unser Wort, welches, wie gezeigt,
blos die Vergoldung am Mosaik bezeichnet, auf den heutigen Begriff
anzuwenden, ist ia im Grunde nur eine Erweiterung desselben. pars pro
toto, eine Erscheinung, die sich oft genug in der Kunstgeschichte wiederholt.
Während daher die älteren Malerrecepte stets nur ein aurum
musivum kennen, treffen wir in den gedruckten Kunstbüchlein des 16.,
17. Jahrhunderts auch schon andere Musiv- oder Musirfarben. So lesen
wir z. B. im alten Verstande der Sache ganz richtig in dem von Schrneller
(B. W.) citirten Codex Germanicus Monachensis (Münchener Hofbibl.
821, f. 104) wildu musiren oder ein diadem oder ein illum. machen
mit gold oder mit silber auf ülfarb etc. oder (daselbst 147) wildu auf
pirmit golt schone vnd hubsch musir machen oder florieren mit der
Feder etc.; jedoch ebenso stoßen wir schon auf Anweisungen wie die
folgende, bei Mannert misc. dipl. lnh. pag. 115: das streichstu dann mit
dem holzlein die swartz varb an dem glas, das heisset dann getnusirt.
Zu bemerken indess, dass wenn auch im Hinblick auf die unrechte Farbe,
das Wort hier doch noch mit einem Schatten des ursprünglichen echten
Begriffes auf das Streichen und Belegen des Glases, wie bei dessen
Vergoldung, und nicht auf die Zusammensetzung der Würfel angewendet
ist. In Schmellefs Codex latinus Monac. 13030 heißt es selbst von textilen
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