Die Textilsummlung des Oesterr. Museums hat in jüngster
Zeit mehrfache werthvolle Bereicherung erfahren. Von europäischen Textil-
arbeiten ist hier insbesondere eine Sammlung von Seidenstolfmustern zu
nennen, die ein Universitätsstudent auf seinen Ferienreisen planmäßig in
den Sacristeien verschiedener Pfarrämter in Galizien gesammelt hat. Diese
Stoffmuster stammen zum größten Theile aus dem vorigen Jahrhundert.
Ferner hat die Direction des Museums einige günstige Gelegenheiten
wahrgenommen, um die Sammlung orientalischer Textilarbeiten zu ver-
mehren. Diese Abtheilung war zwar im ersten Jahrzehnte des Bestehens
der Anstalt, da man der orientalischen Kunst und ihrem textilen Flach-
ornament die hervorragendste Aufmerksamkeit zuwendete, namentlich durch
Käufe und Schenkungen von den Weltausstellungen von 1867 und 1873 zu
einer stattlichen Größe angewachsen; seither haben sich aber die Be-
dürfnisse der Kunstgewerbetreibenden und des betheiligten Publicums
vornehmlich anderen Gebieten zugewendet, was naturgemäß den übrigen
Abtheilungen der Textilsammlung des Museums zu Gute kommen musste.
Das Maß nun, in welchem in Folge dessen die orientalische Abtheilung
hinter der europäischen in den letzten Jahren zurückgeblieben ist, wurde
jüngst zu einem beträchtlichen Theile wettgemacht durch Erwerbungen
von centralasiatischen, chinesischen und indischen Textilarbeiten. Darunter
wäre unter Anderem hervorzuheben, ein chinesisches Seidengewandstück
mit einfarbig eingewirkten Blumen, die durch nachträgliche Bemalung
vollendet sind, ferner technisch merkwürdige Sammtbrocate derselben
Herkunft. Der größte Theil dieser Erwerbungen besteht aus Costümstücken,
wofür auch die Rücksicht auf die bevorstehende Costümausstellung im
Oesterr. Museum maßgebend gewesen ist.
Besuch des Museums. Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
August von 7598. die Bibliothek von nur Personen besucht.
PIOfGSSOI William Unger hat eine große Radirung nach Rem-
brandfs Selbstporträt von 1635 (wDer Mann mit der Federn) in der
fürstlich Liechtenstein'schen Galerie vollendet. Das meisterhaft ausgeführte
Blatt, in welchem uns der Künstler als Rivale von Koepping und Waltner
auf dem Gebiete der großen, als Wandschmuck gedachten Radirung ent-
gegentritt, ist im Verlage von Arthur Tooth 8c Sons in London in einer
nur sehr kleinen Auflage erschienen und bereits vergriffen. Das Oesterr.
Museum hat ein Exemplar für seine Sammlungen erworben. Ein anderes
großes Blatt von Unger, eine Radirung nach Rubens' Söhnen in der
Liechtenstein-Galerie, wird demnächst im Verlage von H. O. Miethke in
Wien zur Ausgabe gelangen.
Litteratur - Bericht.
Bericht über die Industrie, den Handel und die Verkehrsverhältnisse in
Niederösterreich während des Jahres t88g. Wien, 1890. 8". 602 S.
Mit gewohnter Umsicht und Oßenheit gleich seinen Vorgängern ist auch dieser
Bericht der Wiener Handelskammer gearbeitet; nichts ist verschönert, nichts verschwiegen,
aber auch das Gute und Erfreuliche nicht verkennt und unbeachtet gelassen. Und von
solchen: Erfreulichen hat der Bericht diesmal wirklich zu erzählen, von Erfreulichern,
soweit es das ganze Reich betrilft, denn es sind Anzeichen vorhanden, dass die Zustande
sich bessern, die Großindustrie sich wieder zu heben beginnt. Dies gilt leider nicht von
dem Kronlande Niederösterreich, speciell nicht von der Wiener Industrie, nicht von der
Kunstindustrie. Hier überall lautet der Bericht eher auf Rückgang, denn auf eine auf-