182
entsprechend vertreten war, mag mit dem Umstande zusammenhängen,
dass daselbst zu Messina fast zur gleichen Zeit eine locale Ausstellung
weiblicher Handarbeiten stattgefunden hat.
Im Allgemeinen darf aber das Bild, das man in Florenz von dem
dermaligen Stande der weiblichen Handarbeit in Italien gewinnen konnte,
ein ziemlich vollständiges genannt werden. im Nachstehenden soll nur über
die Nadelarbeiten kurz berichtet werden, während alles Uebrige, was nicht
einen ausschließlichen Gegenstand des weiblichen Kunstfleißes bildet, und
worunter namentlich Gemälde in ziemlicher Anzahl zur Ausstellung ge-
bracht waren, unberücksichtigt bleiben wird.
Da musste nun namentlich demjenigen Beobachter, dem der Vergleich
mit den bezüglichen Verhältnissen diesseits der Alpen nahe lag, vor Allem
als wesentlicher Grundzug der vollständige Mangel der Leinenstickerei
mit buntem Garn auffallen. Wo Leinen als Untergrund auftrat, da war
er so verschwenderisch mit Seide bestickt, dass wir uns diese Gegenstände
gar nicht als zum Hausgebrauche verwendbar denken könnten. Blos die
bekannte Venetianer Spitzen- und Weißwaarenfirma Jesurum hatte einige
Stücke Tischwäsche u. dgl. ausgestellt, woran die Stickerei gegenüber dem
zur praktischen Benützung verwendbaren Leinengrunde verhältnissmäßig
zurücktrat, und dementsprechend auch einfärbig gehalten war; als Stick-
material hat aber selbst in diesen Fällen nicht das anspruchslose Garn,
sondern Seide gedient. Es wäre nun zwar gegen dieses Material nichts
Grundsätzliches einzuwenden, sobald es in jener einfach decorativen Weise
verwendet würde, wie einst in der Blüthezeit der italienischen Renaissance
an den mit rother Seide in Flechtstich gestickten Bordüren. Die modernen
italienischen Stickerinnen bringen aber hiebei entweder solche ornamentale
Motive zur Darstellung, die sich blos für luxuriöse Seiden- und Sammt-
stickereien eignen, oder sie greifen gar auf das f-igurale Gebiet über und
suchen mit der Genre- und Historienmalerei zu wetteifern. Letzterer Art
waren z. B. vier Leinen-Betttücher mit Darstellungen aus der Divina
Commedia, ausgestellt von einer Schule, wie denn überhaupt die Hand-
arbeits-Schulen in Italien im Gegensatze zur herrschenden Strömung in
anderen Culturländern Europa's nicht so sehr das Bestreben zeigen, den
allgemeinen Geschmack in einer bestimmten, auf verständige Benützung
älterer Arbeiten basirten Richtung zu beeinflussen, sondern einfach nur
darauf bedacht zu sein scheinen, dem jeweiligen Modegeschmack nach
Kräften entgegenzukommen.
Allerdings gab es auf der Ausstellung eine Gruppe von Arbeiten,
an denen man sich mit der bloßen Garnstickerei begnügt hatte, wo
nämlich als Stickmaterial bloßes weißes Garn zur Anwendung gelangt
war. In diesem Falle handelt es sich darum, durch Relief dasjenige zu
ersetzen, was der Arbeit in Folge Hinwegfalls des farbigen Gegensatzes an
ElTect verloren geht. Von diesem Relief wurde nun ein recht ausgiebiger