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rungen der Chronisten von der Pracht am Abbasidenhofe von Bagdad so
berühmt geworden sind. An solchem Luxus nahm gewiss auch die städti-
sche Bevölkerung bis zu einem gewissen Grade Theil, woraus auf dem
Gebiete des Kleidungswesens sowie der Textilindustrie überhaupt Aufgaben
erwuchsen, denen die beschränkte Geschicklichkeit der Haussclaven nicht
mehr gerecht zu werden vermochte. So mochten städtische Textilgewerbe
für einige Zeit zur Blürhe gelangt sein; daneben hat man aber für an-
spruchslosere Bedürfnisse , namentlich für die Herstellung gewöhnlicher
Gebrauchsteppiche, wohl fortdauernd die Thätigkeit der Haussclaven in
Anspruch genommen. Auf solche Weise mag also das Institut der Scla-
verci conservirend für die Erhaltung des Hausfleißes auch in der städti-
schen Bevölkerung gewirkt haben.
Für das oben dargelegte Verhältniss zwischen orientalischer und
occidentalischer Kunst und Industrie sind wir heute glücklicherweise
sogar in der Lage, eine Art Rechenprobe anstellen zu können, und zwar
eben an der Hand der geschilderten zwei Arten von Teppichen. Es wurde
schon erwähnt, dass auch in gewissen Gegenden Europa's bis in unser
Jahrhundert herein Teppiche in der Technik der orientalischen erzeugt
worden sind. So haben wir gewirkte Teppiche in der Art der Kilim
kennen gelernt, die von Serben in Syrmien erzeugt wurden. Teppich-
wirkereien in dieser Art begegnen wir nicht bloß bei Serben und Bul-
garen, also bei südslavischen Stämmen, sondern auch bei den Ruthenen
in der Bukowina. Wegen ihrer Verwandtschaft mit den Kilim oder Cilim
hat man die gewirkten Teppiche der Slaven in Südosteuropa auf eine
Verpßanzung der Wirkereitechnik aus dem Orient in Folge der türkischen
und tatarischen Eroberungen zurückführen wollen. Dass dem aber nicht
so ist, sondern die Teppichwirkerei in Südosteuropa schon vor dem Ein-
dringen der Türken verbreitet gewesen sein muss, ergibt sich schon aus
einer Vergleichung der beiderseitigen Ornamentik, die sich nur in jenen
freilich sehr wesentlichen Punkten berührt, wo das Ornament durch die
Eigenthümlichkeit der gemeinsamen Technik bedingt ist. Vollends un-
möglich erscheint aber die Erklärung durch unmittelbare Einführung aus
dem Orient auf der skandinavischen Halbinsel, wo die Teppichwirkerei
ebenfalls bis hart an die Schwelle unserer Zeit ausgedehnte Pflege ge-
funden hat. Aber nicht nur die Wirkerei, auch die Knüpftechnik treffen
wir in Schweden wie auch in Norwegen. Die Art der Einknüpfung weist
zwar gegenüber der orientalischen einige kleine Abweichungen auf, aber
das Wesentliche ist überall gemeinsam: Einknüpfung von kurzen Woll-
büscheln in je zwei benachbarte Kettfäden mittels der menschlichen Hand.
Dieser primitiven technischen Herstellungsweise durch bloße Handarbeit
entspricht nun in den Ländern ihres Ursprungs auch das primitive Betriebs-
system des Hausfieißes, mittels dessen alle diese südslavischen und skan-
dinavischen Teppiche hergestellt worden sind.