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Commerzialrath Hanusch den hohen Protector bat, die Ausstellung zu
eröffnen.
Nachdem der Herr Erzherzog die anwesenden Herren, zunächst den
Unterrichts- und Handelsminister sowie den Bürgermeister begrüßt hatte,
wurde die Weihnachts-Ausstellung in Augenschein genommen. Sie um-
fasst den Säulenhof, die Säle Vl, Vll und IX und die Galerie. Der
durchl. Herr Erzherzog besichtigte die ausgestellten Objecte auf das
Eingehendste und sprach wiederholt höchstseine Zufriedenheit aus. Gegen
iz Uhr verließ Se. k. u. k. Hoheit das Museum mit dem Ausdrucke
besonderer Anerkennung für den Kunstgewerbe-Verein.
Besuch des Museum . Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
November von 39.75r, die Bibliothek von 2683 und die Vorlesungen von 69z Per-
sonen besucht.
Vorlesungen. Am z}. October eröffnete Hofrath J. v. Falke den Cyltlus der
Vorlesungen dieses Wintersemesters mit zwei Vortragen über nDie moderne Reform im
Kunstgewerbe und ihre Resultaten.
Bei dem Umatande, als heute die Ansichten über das, was künstlerisch in der
Industrie zu schaffen und zu leisten ist, wieder weit auseinander gehen, als alle möglichen
Kunstweisen, selblt bizarre, wieder zur Nachahmung empfohlen werden, bei dem
Umstande ferner, als die jüngeren Mitstreirer die früheren Zustände nicht aus eigener
Anschauung mehr kennen und so in ihrem Urtheile fehl gehen, hielt es der Vortragende
für zeitgemilß, das ganze Bild dieser von uns erlebten und erschaffenen Bewegung
einmal aufzurollen. Das Gegenwärtige sollte mit dem Vergangenen verglichen werden,
um so den richtigen Maßstab in der Beurtheilung zu gewinnen, was heute geleistet
wird. Zu diesem Zwecke entwarf Falke zunachst ein Bild der Zustande in den Kunst-
gewerben ehe die große Bewegung begann, also etwa um das Jahr i85o, und wies in
den einzelnen Zweigen nach, wie künstlerisch unzulänglich alle Arbeiten damals waren,
wie mangelhaft die Technik, wie die alten Verzierungsweisen ganz unbekannt geworden,
wie der Industrie die erfindenden Künstler und die geschickten Hande fehlten. Als dieser
Zustand der Dinge einsichtsvollen Männern zum Bewusstsein kam, zunachst in England,
ging daraus das Bestreben hervor zu helfen und zu bessern, das Bestreben eine wirkliche
und echte Kunst wieder in das Gewerbe einzuführen und zugleich den Geschmack des
Publicums zu heben und richtig zu stellen. Der erste Vortrag wies nun ausführlich
nach, wie der einzige Weg dahin zu gelangen, in bewusster und verständiger Lehre lag,
im Unterrichte auf Grundlage vorhandener mustergiltiger Gegenstände, also durch
Gründung vereinter Museen und Schulen. Dieser Weg wurde zunachst in England ein-
geschlagen, dann auf dem Continente nachgeahmt, wo Oesterreich mit der Gründung
des Oesterr. Museums voranging. Hier in Oesterreich entwickelte sich die Sache
ganz folgerecht Schritt fai- Schritt wie mit Nuthweiidigkeit. Erst kam das Museum,
dann mit demselben vereint die Kunstgewerbeschule, dann die nFachschulena für ein-
zelne Gewerbe oder einzelne lndustrien in den Kronlandern, wo sie gerade ansassig
waren u. s. w. Das Beispiel Oesterreichs fand nun wieder Nachahmung in Deutschland,
in Berlin, München, Frankfurt, Dresden und vielen anderen Orten, und bald überall in
allen Culturstaaten. Die Reformbewegung auf Grundlage von Museen und Schulen hatte
sich in zwei Jahrzehnten die Welt erobert.
Nun aber, nach dieser äußeren Ausbreitung, welchen künstlerischen Erfolg hatte
sie gehabt? Auch diesen Erfolg nachzuweisen, schilderte Falke die heutigen Zustande
im Kunsigewerbe im Gegensatze zu denen vor dem Beginne der Reform, und Wies
überall die Veränderungen, den großen Fortschritt nach. Er zeigte, dass nicht bloß die
Gegensiande besser geworden, dass nicht bloß eine große Zahl ausgezeichneter Künstler
zum Unterrichte wie zur Erfindung vorhanden sei, sondern dass die heutige Kunst-
industrie sich auch aller ehemaligen Verzierungsliünste wieder bemachtigt und die eine
und die andere derselben viel weiter ausgebildet habe. Der Abstand zwischen Einst und
Jeizt ist unleugbar ein enormer und kann nur von denen geleugnet werden, welche den
lriiheren Zustand nicht gesehen haben und nicht kennen. Trotzdem genügen diese Erfolge
den Wünschen vieler Freunde der Kunstindustrie nicht und insbesondere auch deshalb,
weil aus dieser Bewegung kein neuer Stil hervorgegangen sei. Falke besprach nun
eingehend diese Stilfrage, gab die Gründe an, warum ein solcher neuer oder ganz
originaler Stil überhaupt nicht habe entstehen können, legte aber andererseits dar, dass
man mit der modernen Renaissance, indem man sie modernen Forderungen und
modernem Brauch anpasse und also verändern und umwandeln müsse, ganz wie es auch
früher der Fall gewesen, auf dem Wege zu jenem Ziele sei, wenn man das Ziel nur