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worden sind. Schon damit ist eine außerordentliche Mannigfaltigkeit er-
reicht. Das eigenthümlichste Gepräge aber verleihtdiesen Gefäßen eine
Art der Musterung, die an altägyptischej-Salbenfläschchen mit Schuppen-,
Zacken- und Farrnmuster und an das sogenannte Kamm-Marmorpapier
erinnert. Bei dem letztern besteht bekanntlich das Verfahren darin, dass
Farben, die auf eine zähflüssige Unterlage (schleimige Traganthlösung)
vaufgespritzt sind, mit einem Stäbchen oder kammartigen Werkzeug so
durcheinander gezogen werden, dass sie eine unregelmäßige Schuppen-
zeichnung bilden, die dann auf den darauf gelegten Papierbogen sich
überträgt. Auf ähnliche Art wird das Muster auf den Gefäßen hergestellt,
das der Kürze halber wohl Kammornament genannt werden kann.
Auf das glasirte Stück wird während des Umlaufes.der Scheibe eine
Spirale gemalt, entweder fein und dicht aneinander, oder breiter und in
weiteren Abständen; die flüssige Erdfarbe hat auf der glatten Unterlage
das Bestreben sich zu senken, der Arbeiter aber führt sie vermittelst
eines Drahtes wieder aufwärts, dem Rande zu, so dass sich Wellenlinien
oder Schuppen- oder Zacken- oder Farrnmuster bilden. Reicher wird die
Zeichnung, wenn für die Linien verschiedene Farben nebeneinander zur
Anwendung kommen. Auf dieselbe Art entstehen aus den runden Tupfen
die langgezogenen Tropfen, die Verbindung solcher zu Palmzweigen oder
die nach oben in Zacken auslaufenden Blätter.
Das Zeichnen mit dem Draht wird auch während der Drehung der
Scheibe ausgeführt, und zwar in der größten Schnelligkeit, so dass die
Decoration einer kleinen Schale kaum Minuten in Anspruch nimmt.
Dadurch ist eine ganz regelmäßige Zeichnung ausgeschlossen, ja der
Arbeiter wäre außer Stande, zwei ganz gleiche Stücke herzustellen, wenn
er auch wollte. Und gerade darin liegt natürlich ein großer Reiz, der
Reiz der Handarbeit, die in jedem Stück ein Original schafft, derselbe
Reiz, der den japanischen Erzeugnissen verliehen ist.
Ohne unmittelbares Eingreifen des Arbeiters entstehen aus den
runden Tupfen eckige Figuren, wenn er sie so nahe aneinandersetzt, dass
sie einander berühren und durch entgegengesetztes Vordringen die runden
Umrisslinien in gerade verwandeln.
Wer die fertigen Stücke betrachtet, ohne den Process der Decoration
zu kennen, würde glauben, Zeichnungen vor sich zu sehen, die mit sorg-
fältigster Berechnung entworfen und höchst mühsam ausgeführt seien.
ln der That aber spielen die natürlichen Eigenschaften der Decorations-
rnittel und der Zufall in der jedesmaligeu Handbewegung eine entschei-
dende Rolle bei dem Entstehen der stets neuen Combinationen. Und
eben dies gilt ohne Zweifel für viele kunstgewerbliche Erzeugnisse auch
aus früheren Zeiten. B.