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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1891 / 4)

Peripherie derselben zu übersiedeln. Sie wählten einen Platz am Ende der Urnwallung, 
wo sich vielleicht einst ein kleines römisches Castell befunden haben mag. 
Für die neue Burg, aus welcher die heutige Hofburg allmälig entstanden ist, wurde 
ein alter Bautypus gewählt: die quadratische Form mit vier Eckthürmen. 
Der älteste Theil der Hofburg datirt aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, aus 
der Zeit Herzog Leopold des Glorreichen. Der Architekt ist unbekannt geblieben. Der 
Schweizerhof, dieser älteste Theil. hatte romanischen Charakter, hat dann gothische 
Wandlungen mitgemacht und anlässlich der Umgestaltung unter Ferdinand l. (1516-1552) 
hat sich, Dank der damals aus ltalien herübergekommenen Renaissance, der jetzige Stil 
herausgebildet. Von den erwähnten vier Ecktlinrmen sind noch heute im lnnern der Burg 
Stümpfe vorhanden. Um den Zusammenhang mit der Stadtbefestigung zu markiten, wurde 
die Burg so gestellt, dass sie rechts und links noch von zwei Stadtthürmen Bankirt war. 
Nach den vorhandenen Abbildungen und Aufzeichnungen war die decorative Aus- 
stattung der lnnentäume der zuerst einstockigen Burg im Geschmscke der beginnenden 
Renaissance gehalten, zum Theile sogar prachtvoll, und auch Gubelins fanden Verwen- 
dung. Ein Juwel in dieser Hinsicht ist die heute noch vorhandene, Anno 1449 geweihte 
Capelle, welche sich an Stelle der ehemaligen Babenberger Burgcapelle erhebt. Trotz 
der besprochenen Ausschmückung entsprach die Hofburg nicht dem wachsenden Glanze 
der Dynastie und schon früh regte sich das Bedürfnis: nach Erweiterungsbauten. 
Es existiren eine Anzahl Kritiken über den baulichen Zustand der Wiener Hof- 
burg im 15. und I6. Jahrhundert, und es ist interessant, zu verfolgen, wie sich die 
deutschen Schriftsteller lobend und zumeist befriedigt über das Fürstenheim äußern, 
während die Franzosen sich über die i-Armseligkeit- hämisch, ja sogar gehässig verbreiten. 
Jedenfalls reichten die alten baulichen Zustände der Hofburg auf die Dauer nicht aus; 
diese Erkenntniss hat die Fürsten und Hofkreise fortwährend durchdrungen. Politische 
Nothen, Kriege und Gnanzielle Schwierigkeiten stellten sich der Ausführung des Pru- 
jectes der Herstellung einer würdigen Kaiserburg bis zu den Tagen des Kaisers Franz Joseph 
entgegen. Unter Kaiser Ferdinand l., im 16. Jahrhundert, entstanden die ersten größeren 
Zubauten: Die Stallburg in deutscher Renaissance, dann der heute i-Amalienhof- genannte 
Tract, als dessen Schöpfer Kaiser Rudolph ll. angesehen werden muss. Größere Gestalt 
nahmen iedoch diese Erweiteiungsprojecte erst unter Kaiser Leopold an im Zeitalter des 
großen Aufschwunges des Waßenglückes der österreichischen Heere. lm Zeitalter des 
Barockstilea war auch für die baufreudigcn Künstler der Moment des Schaffens gekommen. 
Allen voran soll Btirnacini erwahnt werden, der hervorragend mitgewirkt hat an dern 
Bau des Leopoldinischen Traetes (1668). In dieser Zeit entstanden auch die aus Riegel- 
wlnden hergestellten Operntheater, von denen die zwei berühmtesten an der Stelle der 
heutigen Hofhibliothek und der Redoutensale standen. Von außen armselig, boten sie 
decorative Wunder im Innern. Als dieselben später niedergerissen wurden, war damit 
eine neue Area für den Burgbau gewonnen. 
Es wäre aber ein lrrthum zu glauben, dieser unter Leopold l. und seinen Nach- 
folgern geschehene Erweiterungsbau der Hofburg sei nach einem einheitlichen Plane 
erfolgt. Selbst unter Kaiser Karl VL, da Fischer von Etlach der Aeltere in großartigem 
Maßstabe zu bauen begann, fehlte ein zusammenfassender Plan, nirgends ist eine einheit- 
liche ldee nachzuweisen, wie bisher vielfach angenommen wurde. Die Bauten dieses 
Fischer von Erlach, wie Hofbibliothelt, Reitschule, Reichskanzlei und das große Portal 
gegen den Michaelerplatz entstanden unabhängig von einander. 
Interessant ist, dass schon seit dem Jahre 1660 sogar Pläne für den Erweiterungsbau 
der Hofburg ausgearbeitet wurden. Es existirte ein Burgumbauplan eines Unbekannten, 
der Plan des Architekten Hildebrandt, der Plan Neumann's, des Architekten vom Würz- 
burger Bischofssitze. Fischer von Erlsch's Plan hatte mit diesen Projecten nichts zu 
schaden. Er construirte zuerst den Plan der Hofbibliothek; dieselbe ist die reife Frucht 
der Erfahrungen und Studien Fischer's in ltalien und hat eine unverkennbare yAehnlieh- 
keit mit der Galleria Colonna in Rom. Daniel Gran hat den großen Saal mit Fresco- 
gemälden geschmückt. Als der Autor des Programmes für die malerische Ausschmückung 
ist einzig und allein der berühmte Diplomat und Gelehrte Albrecht von Albrechtsberg 
anzusehen, ein Verwandter des berühmten Garelli, der in seiner Eigenschaft alsgPräfect 
der Hofbibliothek um den Bau des für dieselbe bestimmten Prachtgebäudes sich vielleicht 
die größten Verdienste erworben hat. _ 
Ueber die große Unternehmung des Umbaues der Hofburg seit den Tagen 
Kaiser Joseph l. sind zahllose dunkle Gerüchte verbreitet, welche sich beinahe zu, einem 
förmlichen Mythus verdichtet haben, dem gegenüber es leider_fast an allen sicheren 
historischen und urkundlichen Anhaltspunkten fehlt. Lange vor Fischer von Erlach wurde 
bereits eine ganze Reihe von Umbauprojecten in Erwägung gezogen ,_ es ist aber auch 
nicht ausgeschlossen, dass ähnlich wie beiyder Karlskirche so auch bei der Hofburg eine 
allgemeine Concurrenz stattfand, bei der Fischer von Erlach den Sieg davqntrug. Zu den 
bedeutendsten Architekten, welche damals Modelle für den Umbau der Hofburg lieferten,
	        
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