Nicht unvorbereitet, ahnungslos trat man der Ausstellung von Sevres
gegenüber.
Fachblätter und Kunstjournale der letzten Jahre brachten wiederholt
Berichte über neue Errungenschaften und Fortschritte in Sevres; die Ma-
nufactur ließ auch die Gelegenheit verschiedener Ausstellungen seither
nicht vorübergehen, ohne Proben ihrer neuen Leistungen zu geben. Aus-
wärtige Museen und Kunstinstitute erhielten solche Proben gespendet,
so auch unser Oesterr. Museum.
Der Anlass der Weltausstellung spornte indess, wie in der gesammten
französischen Industrie, so auch in Sevres alle Kräfte auf das äußerste
- das konnte man voraussehen -, musste die Fabrik anspornen, da in
ihrem vollsten Glanze zu erscheinen und so trat man denn vor Sevres
mit den größten Erwartungen. Einhellig ist das Urtheil, dass Sevres mit
seinen da vorgeführten Werken alle Erwartungen weit übertroffen habe.
Berechtigter als je klingt jetzt in Frankreich der Stolz über das staatliche
Kunstinstitut in den Ausspruch aus, in den Männer der Kunst und
Wissenschaft, Journale und Fachblätter, Kritiker, Berichterstatter, Alle
und Jegliche, denen ein maßgebendes, unparteiisches Urtheil in der Frage
zukommt, unermüdlich und überzeugungstreu einstimmen, in den Aus-
spruch: Sevres est une des gloires incontestees de la France.
Dieser Stolz ist auch in die breitesten Schichten der Bevölkerung
gedrungen; Sevres ist wohl das populärste Kunstinstitut der Welt. Der
kleinste Bourgeois, wie der Arbeiter in Paris nimmt davon Notiz und
weist gelegentlich mit nationalem Hochgefühl auf jene Prunkvasen hin,
die in öHentliehen Gebäuden, Staatspalästen, Museen zum Schmuck der
Innenräume aufgestellt sind: "Das sind Werke unserer Staatsfebriklw
Wenn die französische Staatsverwaltung die Dotation, die Sevres
jährlich im Betrage von 624.000 Frcs. bezieht, einstellen wollte - ich
glaube, die Bevölkerung selbst würde durch eine Sammlung oder sonstwie
den Bestand der berühmten Manufactur sichern.
So getragen von der Anerkennung und Opferfreudigkeit des Staates
und der Bevölkerung hat Sevres ein frohes kampffreies Dasein, ist ihm
eine Schalfensfreudigkeit ermöglicht und gesichert, um die es wohl von
manchem auswärtigen Kunstinstitute und namentlich den armen Staats-
manufacturen anderer Länder beneidet werden dürfte.
Nicht immer war Sevres in so günstiger Situation, wie jetzt; wir
werden aber sehen, dass es im Laufe seiner geschichtlichen Entwickelung
stets von der Fürsorge der Staatsverwaltung getragen war, frei von
Budgetschwierigkeiten und namentlich unbehelligt von dem wuchtigen,
massigen Concurrenzansturme der Privatindustrie, zwei Momente, die so
mancher Staatsmanufactur, wie bekanntlich auch unserer Wiener Por-
zellanfabrik, den Todesstoß versetzt haben.
Die Gründung von Sevres fällt in jene Epoche, da im 18. Jahr-
hundert durch ganz Europa, an allen Fürstenhöfen, in allen vornehmen