II
diesmal zunächst von den weiblichen Arbeiten empfangen; wir wollen
daher auch mit ihnen unsere Besprechung beginnen.
Reichlicher als sonst sind dieses Jahr die sogenannten Confections-
arbeiten in Weisswaaren auf der Ausstellung erschienen. Die grösste
Collection zeigt J. N. Hochstädter, andere A. Geyer und R. Neu-
feld. Mit ihren zuweilen höchst vortrefflich ausgeführten Stickereien,
mit dem Besatze ihrer heimischen Spitzen lassen sich diese Arbeiten von
einer Ausstellung wie die in Rede stehende schwer abweisen, obwohl
mehr als bei anderen Zweigen der Industrie die Gefahr nahe liegt, dass
sich zu den guten und vorragenden Gegenständen die gewöhnliche Ge-
schäftswaare hinzugesellt. So ist es auch hier geschehen. Diese Gegen-
stände besitzen ein künstlerisches Element, welches, unscheinbar an sich,
doch um so bedeutungsoller erscheint, als es nach Ursprung wie Be-
stimmung populär ist und viele Hände beschäftigt. Aber heute stehen sie
allzu sehr unter der Mode, unter dem Einiiusse des nächsten Mode-
geschmackes oder richtiger: der Modelaune, um eine ernstliche, auf künst-
lerischen Principien ruhende Kritik vertragen zu können. Man würde
ihnen damit vielleicht Unrecht thun, da sie nicht selbstständig sind und
nicht auf Originalität Anspruch erheben. Sie ihres naturalistischen oder
rein willkürlichen Charakters zu entkleiden, muss erst eine Regeneration
der Stickerei und der Spitzenfabrication voraufgehen, sowie eine Hebung
und Reinigung des heutigen populären Geschmackes, der-wie nicht zu
zweifeln ist -- sehr niedrig steht. Diesen Veränderungen würden die weissen
Confectionsarbeiten von selber folgen. Dasselbe gilt auch von den ge-
stickten Monograrnmen und ähnlichen Merkzeichen, deren eine gute Zahl,
zum Theile in vortrelilicher Ausführung, ausgestellt ist. Ihr Mangel be-
steht grossentheils in der Unschönheit der Buchstaben, begleitet von einer
Willkür, der man ansieht, dass sie nicht weiss, was das Rechte und
Wahre ist. Auch hier muss ein besseres Verstäudniss für die Schönheit
der Schriftzüge voraufgehen. Das Heil muss also von den Schriftkiinst-
lern kommen.
Stickereien und Spitzen haben ohne Zweifel auch bereits angefangen,
sich auf den richtigen Weg zu begeben, letztere allerdings noch in sehr
schüchterner Weise. Die höhere Fachschule für Stickerei, die nunmehr
ihren dritten Jahrgang und damit den ganzen Cursus zum ersten Male
vollendet hat, lässt sich diesmal in ihren letzten und höchsten Leistungen
beurtheilen. Was ihr sonst mangelte - ein Mangel, der mit in dem
Schulgange der beiden ersten Jahre begründet lag - das Enden wir in
diesem Jahre in erfreulicher Weise vorhanden. Wir meinen die Farbe.
Die grosse, nach Storck's Entwurfe geschaffene, blauseidene Decke mit
applicirter Stickerei, welche als reiche Bordüre über den Rand des Tisches
rings breit herabfällt und mit langen geflochtenen Fransen endigr, ist gerade
in Bezug auf die Farbe von höchst gelungener Wirkung, von poetischem
Reize. Sie stellt sich überhaupt dem Besten zur Seite, was die moderne