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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIII (1878 / 148)

 
Nationalherrlichkeit wieder wachgerufen; von allen Seiten wurde betont, 
Deutschland müsse auf dem Gebiete der Kunstgewerbe wieder dieselbe 
Stellung einnehmen, die es im 15. und 16. Jahrhunderte inne hatte, wo 
es in der Zeit der Blüthe der deutschen Reichsstädte und des Bürger- 
thums in Mitteleuropa einen fast dominirenden Einfluss geübt hat. Es 
wurde in jenem Vortrag betont, dass es ein grosser Irrthum wäre, die 
künstlerische Befähigung der deutschen Nation gering zu achten, da ihr 
gewisse Nationaltugenden inne wohnen, die für den Erfolg des kunst- 
gewerblichen Strebens von massgebender Bedeutung sind. Es fehlt zwar 
den Deutschen die Eleganz des französischen Wesens, es fehlt den Deut- 
schen auch jener ideale Zug, der dem Italiener innewohnt, aber was die 
kunstgewerblichen Arbeiten Deutschlands von jeher ausgezeichnet hat, 
das ist die feine Empfindung, die gewissenhafte Durchführung und die 
Ausdauer in der Arbeit. Diese Eigenschaften des deutschen National- 
charakters sind es auch, welche die hervorragende Stellung der deutschen 
Kunstgewerbe im 15. und 16. Jahrhundert hervorgerufen haben, begün- 
stigt durch eine Reihe von Fürsten, welche Kunstliebe mit Prunksucht 
vereinigt haben, wie die Herzoge von Baiern, Albrecht V. und Wilhelm V., 
den damaligen Kurfürsten von Mainz, Albrecht von Brandenburg, und 
die mit Kranach befreundeten sächsischen Fürsten u. s. f. Die vom Adel 
begünstigten und mit grossen Bürgertugenden ausgestatteten Kunsthand- 
werker, wie die Goldschmiede von Augsburg, die Watfenschmiede von 
München und Nürnberg, die Thonwaarenerzeuger am Rhein etc. haben 
Arbeiten hervorgebracht, die noch heutigen Tags als Muster in unseren 
Museen zu finden sind. Dazu kommt noch, dass gegenwärtig die deutsche 
Nation auf dem Gebiete des Welthandels eine ganz hervorragende Rolle 
spielt, ja, nach England und Nordamerika zuerst in Betracht gezogen 
werden muss, da ihre Handelsüotte auch die jfranzösische Handelsflotte 
übertrifft. Diese Lage der Dinge war jedem denkenden Beobachter der Be- 
wegung jener bewegten Zeit klar. Seit jener Zeit ist die deutsche Nation 
rastlos bemüht, diese Lücke in ihrer künstlerischen Bildung auszufüllen und 
den guten Geschmack des deutschen Arbeiterstandes zu fördern. Die Mün- 
chenerlubelausstellung hat die Superiorität des österreichischen Kunstgewerbes 
gegenüber dem deutschen klar dargelegt und die diesjährige Ausstellung 
in Amsterdam hat diese Wahrnehmung von Neuem bestätigt. Aber schon 
auf der Münchener Ausstellung 1876 konnte man deutlich sehen, dass die 
Erfahrungen der letzten Jahre nicht spurlos an der deutschen Nation vorüber- 
gegangen sind und insbesondere waren es die Kunstgewerbeschule in Mün- 
chen, zum Theil auch jene von Leipzig und Berlin, sowie die kunstgewerb- 
lichen Industriellen von der Isar und vom Rhein, welche bei dieser Aus- 
stellung einen hervorragenden Platz eingenommen haben. Es ist dies ein 
Zeichen, dass die kunstgewerbliche Bewegung im deutschen Reiche voll- 
ständig in Fluss gerathen ist. Zwar haben auf der Wiener Weltausstellung 
r 873 die deutschen Kunstgewerbe eine untergeordnete Stellung eingenommen.
	        
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