den Einblick in ein ungeheures Kunstgebiet, dessen kolossale Monumente und reiche
Schätze eigentlich erst in neuester Zeit durch englische Kunstforscher, namentlich durch
James Fergussonf, und durch die Thatigkeit der archäologischen Regierungscommission
für Indien unter General Cunninghatn und James Burgess entdeckt und bekannt gemacht
worden sind. In anschaulicher Weise wurden die Haupttypen der altindischen Kolossal-
bauten. das Stylprincip und die technische Herstellung derselben und die grossartigsten
Werke dieser in jeder Beziehung höchst eigenartigen Kunst geschildert. Zuerst die al-
testen buddhistischen Grottenbauten - die Kloster und Tempel auf der lnsel Salsette, in
Ellora, Karli, Aianta - und der Ursprung der Formen dieses Styls aus einem uralten
massigen Holzbau; ferner die Monolith-Tempel (Ellora) und die aus ungeheuren Felsen-
wanden herausgearbeiteten Reliefs, von denen das grossartigste Beispiel im Lande der
Rnjputen zu finden ist. Dann die, ganz neue Formen und Constructionen aufweisenden
NVerke der Jainas und deren, durch vorragende horizontale Steinschichten gebildeter Ge-
wolbebau, die Art der Decorirung dieser Bauten mit Sculpturen in horizontalen Streifen,
Bändern und Bordüren, der spitze Aufbau der zahllosen Pagodenkuppeln u s. w. Den
Abschluss bildete die lebendige und anziehende Schilderung der grossen Tempelanlagen
in Gwalior, Palitana, Junaghur u. s. w. und der Todtenstadtc oder dynastischen Nekro-
polen, besonders jener in Jaunpore.
Am zweiten Abende ging der Vortragende zu dem eigentlichen Thema über und
besprach die grossen monumentalen Werke der Architektur, die in lndien unter der Herr-
schaft der Patanen und Grossmogule (vom Ende des m. bis zum I8. Jahrhundert) errichtet
worden sind. Zunächst machte er darauf aufmerksam, dass die mahomedanische Kunst
im aussersten Westen und Osten zur schönsten Blüthe gelangt sei - in Spanien und
in Indien - im letztern Lande zur selben Zeit, als gegen Ende des 17. Jahrhunderts
der Ausbreitung des Islam nach Norden vor Wien ein Ziel gesetzt wurde. Trotz der
weiten Trennung und ungeachtet des Anschlusses an die in Spanien und Indien vorhan-
dene einheimische Kunst sei doch die Einheit des NVesens der mahornedanischen Kunst
in beiden Ländern zu erkennen. Besonders wurde in dem Vortrag der Umstand hervor-
gehoben, dass trotz der barbarischen Rohheit der mahomedanischen Eroberer, trotz der
fortwährenden Kämpfe und Unruhen während des halben Jahrtausends der mahomedani-
schen Herrschaft doch die mahomedanische Kunst und Cultur sehr rasch aus dem blut-
getränkten Boden Indiens emporwuchs und durch die vielfache Staatenbildung eine man-
nigfaltige und eigenthumliche Gestaltung erhielt. Am meisten habe dazu beigetragen, dass
die Eroberer zur Befriedigung ihrer Prachtliebe und Baulust bereits eine noch blühende
heimische Architektur, kunstgeubte Baumeister und trelfliche Arbeitskräfte in Fülle vor-
fanden. Von den grossartigen und prachtvollen Städte-Anlagen, die den Despotenlaunen
der mahomedanischen Herrscher sowohl ihr rasches Entstehen wie den plötzlichen Verfall
zu danken hatten, beschrieb Herr v. Falke besonders Bedjaporo als die grossartigste, herr-
lichste und besterhaltene unter den zahlreichen Ruinenstadten Indiens. Dann folgte eine
glänzende Schilderung Delhi's - des indischen Rom - und seiner Baudenkmale aus der
ersten Periode der mahumedanischen Herrschaft, hauptsächlich der Siegessäule des Kutab
und der Moschee desselben, die wahrscheinlich aus einem Jaina-Tempel entstanden sei.
Bei dieser Gelegenheit wurde besonders auf die Pracht der reichen Ornamente, die Dank
der alten indischen Kunstfertigkeit aus dem harten Stein herausgearbeitet worden sind,
und auf die eigenthümliche Construirung des maurischen Bogens durch die indischen Ar-
chitekten hingewiesen. Erst spater habe sich auch die Construction rationell entwickelt,
so dass sie der Ueberfülle von Ornamenten entrathen konnte. Zur Periode der Gross-
mogule übergehend, hob Herr v. Falke die in der Construction und Ornamentirung bereits
erreichte" Sicherheit der Architekten hervor, für die es keine technischen Schwierigkeiten
mehr gab und welche jeneigrossartigen Bauanlagen zu errichten im Stande waren, die
man heute noch in den beiden Hauptresidenzen der Mogule, in Agra und Delhi, bewundert.
Von diesen Bauten beschrieb der Vortragende namentlich die Hauptmoschee in Delhi und
verweilte zum Schluss bei der ausführlichen Schilderung des Mausoleums, das Schah Jehan
sich und seiner Gemalin in Agra errichten liess und welches, als das schönste und vollen-
detste Werk der ganzen Kunst des Islam, den Namen nTaje Mahal- - das Wunder der
Welt - führt.
Ueber den Diamanten hielt am 8. Februar Professor Tschermak einen an-
regenden Vortrag, den das zahlreich anwesende Publicurn mit grossem Beifall aufnahm.
Die Kostbarkeit dieses Steines macht es, dass 'das Wort wDiamantu schon einen zaube-
rischen Reiz auf die Menschen ausübt. Ein Diamant von dem Gewichte eines Karats
kostete 1865 auf dem Londoner Markte 210 fl., während ein Stückchen Gold von dem-
selben Gewichte blos t tl. So kr. werth ist. Doch hat man es schon so weit gebracht,
sehr kleine Rauten zu facettiren, von denen 1500 auf ein Karat gehen; ein solches Steinchen
ist also um 25 kr. zu haben. Der Diamant, der schon im Alterthum bekannt war, wurde
die längste Zeit hlos aus Vorderindien bezogen. Doch kamen grosse Steine nie in den