MAK

Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 8 und 9)

Verstehen wir den neuen Direktor 
der Kunstgewerbeschule recht, so 
wünscht er das Gute im Natur- 
Studium, in Stilbildung und Ma- 
terialerkenntnis, das sich aus den 
oft wirren und unklaren Kämpfen 
der vergangenen Jahre heraus- 
kristallisiert hat, zu erhalten und 
auszugestaltenUnd das geschieht 
am besten, wenn innerhalb der 
durch Statut und Lehrplan vor- 
gezeichneten Grenzen, die dem 
pädagogisch veranlagten und 
schöpferisch begabten Lehrer 
weitesten Spielraum gewähren, 
die Methode des Unterrichts und 
die Anwendung bestimmter indi- 
vidueller Lehrgrundsätze dem 
freien Ermessen des hiefür ver- 
antwortlichen Lehrers anheim- 
gestellt werden. 
Darin liegt doch eben der 
wesentliche Unterschied einer 
Kunstschule und jeder anderen 
Schule, die etwa wie eine Real- 
schule oder ein Gymnasium einen 
bis ins Einzelne geregelten Lehr- 
Ausstellung der Wiener Kunstgewerbeschule, Plaquette. _ _ 
Glasschlifl", entworfen und ausgeführt von Arnold Eiselt P1311 hat mit beStlmmte-Tl Lßhf- 
iammeßchu") zielen für jede einzelne Klasse, 
mit einheitlich vorgebildeten Lehrern und vorgeschriebenen Lehrbüchern 
und Lehrmethoden. Daß in einer Klasse des Gymnasiums der eine Lehrer 
etwa nur die grammatische Seite im Latein oder Griechisch pflegte, in der 
anderen ein anderer nur Lektüre, ist ganz ausgeschlossen. In der Kunstschule 
liegen die Dinge anders und müssen anders liegen; hier handelt es sich wohl 
auch um Wissen und Bildung, aber nicht um dies allein, sondern ums Kön- 
nen; die Tüchtigkeit jedes Lehrers ruht auf anderem Grunde, auf seiner 
Persönlichkeit. Jeder sieht in und um sich ein anderes Weltbild, das sein 
künstlerisches Ingenium ihm vermittelt. Der Unterricht kann und darf nicht 
nach einem Schema erteilt werden, weil das der Natur und der Kunst wider- 
streitet, zu der die jungen Talente ja hingeführt werden sollen, um sich per- 
sönlich damit auseinanderzusetzen. Daher zeugt es nicht für volle Klarheit 
der Begriffe, wenn von einer Kunstschule in allen ihren Abteilungen, die in 
losem Zusammenhang stehen, eine einheitliche „Richtung" verlangt wird. 
Und das fordern gerade jene so laut, die jeden Zwang, jede Beeinflussung
	        
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