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Raphael Donner (1693
bis x741) gehört zu jenen
großen Künstlern, die jede
Aufgabe, welcher sie sich
widmen, in das Niveau ihrer
eigenenBedeutung zu rücken
vermögen. Sein Brunnen am
Mehlmarkt gehört zu den
besten Werken der Plastik
seiner Zeit und erhebt sich
in Bezug auf künstlerische
Qualität hoch über die vielen
zum Malerischen hinneigen-
den, wenn auch tüchtigen
Leistungen seiner Wiener
Zeitgenossen. Im Dienste der
Architektur hat die Mehr-
zahl der barocken Bildhauer
Wertvolles geleistet, ohne
immer ein tiefergehendes
Interesse zu befriedigen oder
größere Selbständigkeit zu
betätigen. Donner hat der
schon so oft gelösten Auf-
gabe des Brunnenbeckens als Mittelpunkt einer geschlossenen Platzanlage
einen ganz besonderen Reiz abzugewinnen verstanden, ihr eine durchaus
persönliche Lösung von hohem bleibenden Wert gegeben.
Der Form des Platzes angepaßt und im Zusammenhang mit der ehe-
mals mäßigeren Höhe der umgebenden Bauwerke, die einen zumeist ein-
fachen aber einheitlichen und heiteren Charakter trugen und zueinander
stimmten, entstand die breit gelagerte Form des Beckens mit den kühn
und sicher hingesetzten Randfiguren und dem mäßig hohen graziösen Auf-
bau der Mitteltigur und wasserspeienden Puttigruppen; feinste Empfindung
beseelt die Behandlung der allseitig freistehenden Figuren, die in Bewegung
und Silhouette von jedem Standpunkt anmutig erscheinen und in einem
edlen Naturalismus jedes kleinliche Beiwerk vermeiden.
Leider hat gerade dieses schöne Werk ein sehr böses Schicksal ver-
folgt. Nach langen Kämpfen konnte das ursprünglich von der Wiener Ge-
meinde nur teilweise genehmigte Denkmal im Jahre 173g fertiggestellt
werden, der Bleiguß der Figuren litt aber so bald, daß diese im ]ahre r774
das erste Mal und nach einer Ausbesserung (1801) durch M. Fischer später
noch ein zweites Mal ins Depot der Gemeinde wandern mußten. Erst seit
ihre Umformung durch Bronzeguß (1873) vollendet ist, scheint ihnen Ruhe
gegönnt.
Egeria, Brunnen im Schönbrunner Park, von Ch. W. Bayer