Es fehlt nunmehr ei-
ne glaubwürdige Beziehung
zu dem nur von Geistlichen
bewohnten Stift Gars. Und
da erfahren wir aus der
Chronik die überraschen-
de Tatsache, daß unter
Propst Jakob V. Zollner
(1494-1510) zum ersten-
mal rechtskundige Laien
als Assessoren bei den Ar-
chidiakonalkonsistorien an-
gestellt wurden. Im Stifte
Abb. 5. Bestechung eines Advokaten, Holzschnitt aus „Rodericus herrschte damals Mangel
Zamorensis, Spiegel des menschlichen Lebens", Augsburg 147g an fechtskundlgen Chof-
herren, und dieser Übel-
stand währte bis nach der Reformation. Erst dann konnten wieder alle Stellen
mit Chorherren besetzt werden, mit Ausnahme des öffentlichen Notars, der
auch dann noch ein Laie blieb. So haben wir denn in diesem frühen süd-
deutschen Bildwerk aus Ton, der Schöpfung eines oberbayrischen oder
Salzburger Hafners, das Ebenbild eines nach Stift Gars am Inn berufenen
Beisitzers aus dem rechtskundigen Laien-
stand oder des öffentlichen Notars im Chor-
herrenstift zu suchen.
Die Frage der eigentlichen Herkunft
ist damit nicht gelöst. Die Büste kann in
Oberbayern, welches mit dem Relief in der
Pfarrkirche zu Neumarkt an der Rott ein
bedeutendes Werk gotischer Tonplastik
aufzuweisen hat, ebenso gut entstanden
sein wie in Salzburg. Obwohl unbeholfener
in der Durchführung, kann hier das Haus-
zeichen eines Bäckers in der Sammlung
Figdor zum Vergleich herangezogen werden
(Abb. 6). Die gleiche Behandlung des Kra-
gens, Übereinstimmungen in der Verwen-
dung der Glasurfarben sowie vor allem der
Einfall, bestimmte Persönlichkeiten porträt-
mäßig aus Ton darzustellen, entscheiden
hier eher für das in regen Beziehungen zu
Italien stehende Salzburg als für das im
XV. Jahrhundert dem Süden ziemlich ent-
rückte Gebiet des heutigen Oberbayern. Zu
Abb. 6. Bunte Nischenkachel mit der Halbflgur
dem kOITllTlt nOCh, daß der Markt GZTS eines Bäckers, um 1500 (Sammlung Figdor)