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Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 11 und 12)

mohammedanischen Ursprungs, so wie deren bichrome Omamentierung, die 
geometrischen und die Rankenmuster auf den Orient hinweisen. Eine Tat- 
sache, die uns nicht wundern kann, zumal, wenn wir bedenken, wie stark 
noch die venezianische Kunst am Ende des Dugento unter byzantinischem 
Einfluß stand, einem Einfiuß, der langsam erst im Laufe des XIV. Jahr- 
hunderts überwunden wurde, der aber in Hinsicht auf die Architektur durch 
die ganze Gotik bis in die Renaissancezeit Venedigs hinauf, nie gänzlich 
verschwand und vielleicht noch zum letztenmal in den buntfarbigen In- 
krustationsarbeiten der Lombardi-Fassaden einen Ausklang fand. Denken 
wir uns aber die sechs Bogen unserer Kanzel in eine Fläche aufgerollt, so 
werden wir das für den venezianischen Palazzo der Gotik so häufig wieder- 
kehrende Motiv des otTenen Balkons bekommen, wofür das Anführen von 
Beispielen wohl überflüssig ist. 
Vor der zweiten Hälfte des Dugento finden wir aber diese Art von 
Bogen in Venedig nicht. Bauten aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, 
wie etwa das untere und erste Geschoß des Palazzo Loredan am Canal 
Grande, zeigen den dem byzantinischen Palastbau entnommenen erhöhten 
Rundbogen. Es ist wohl andererseits unsinnig, unseren Bogen, wie es 
Jackson tat, ins XV. Jahrhundert zu datieren: wir brauchen nur an die 
Ca d'oro zu erinnern, um sofort zu erkennen, welche venezianisch-ein- 
heimische Umwertung die Gotik hindurch die ursprüngliche Bogenform hier 
erfahren hat. 
Es wäre somit stilistisch festgestellt, daß sowohl die Reliefs der 
Brüstung wie auch die Kuppelbekrönung unserer Kanzel zu derselben Zeit 
entstanden sein können, somit die seit Eitelberger allgemein angenommene 
Ansicht zweier voneinander weit entfernten Kunstperioden als hinfällig 
bewiesen. 
Alles Weitere ergibt sich von selbst. Die Säulen, welche die Kuppel 
tragen, sind schon im Sechspaß gedacht. Die Form der Kapitelle entspricht 
der veralteten Stilsprache der Brüstungen. Man vergleiche die dreifach 
gegliederten Abaci mit der ähnlich gegliederten Umrahmung der einzelnen 
Brüstungsplatten. Ähnliche Kapitelle kommen übrigens auch an den Seiten 
des Türbogens von Gemona vor, obwohl ihr Ursprung älter ist, wie wir es 
an den Stützen des Ambo im Dorn von Torcello sehen können. 
Es erübrigen uns nur noch die sechs Säulen, auf welchen der Kanzel- 
körper selbst ruht. Meiner Ansicht nach sind diese (wovon zwei spiralförmig 
gedreht) spätantike oder frühchristliche Spolien, die beim Bau der Kanzel 
verwendet wurden, etwas nicht Seltenes in Venedig (San Marco), Aquileja 
und Grado selbst. Man betrachte die später hinzugefügten Basen. Diese 
allein, in ihrer ausgesprochenen gotischen Form, könnten den Ursprung 
unserer Kanzel wenn auch nicht direkt erklären, so wenigstens nicht zu dem 
Schlusse verleiten, sie sei spätantik, aus der Völkerwanderungszeit oder aus 
der Mitte des XII. Jahrhunderts. Die Kapitelle dieser Säulen erinnern sehr 
stark an jene zweier anderer Säulen, die den Baldachin des Patriarchenstuhles
	        
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