Wenn in allen Kunstepochen die Verkündung großer Augenblicke und Vorgänge der
Weltgeschichte zu den vornehmsten Aufgaben gezählt hat, so wird die große Zeit, die
wir jetzt durchleben, sicherlich einmal auch die kraftvollen Künstler finden, die das
ungeheuere Geschehen künstlerisch zu fassen vermögen.
In diesem heftigst aufgewühlten Empfinden des Tages gibt der Blick, der auf die
ehrwürdige Gestalt des friedliebendsten Monarchen gerichtet ist, zugleich Beruhigung und
Erhebung.
In ihm und seinem Wirken sind jene Kräfte gesammelt, welche eine ungewöhnlich
lange und friedensreiche Regierungszeit erfüllten. Zu dieser friedvollen Erscheinung wenden
sich darum gern alle jene, welche in der Unrast des Tages Sammlung und Ausgleich
der Kräfte erstreben.
EIHNACHTSAUSSTELLUNG FÜR DIE KRIEGSFÜRSORGE.
Im I-Ialbstock des Equitable-Hauses sind einige intime Räume mit einer Ausstellung
von Kunstwerken gefüllt, welche in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt wurden. Es gilt
das Weihnachtsfest der Soldaten im Felde vorzubereiten. Eine ganze Reihe angesehener
Persönlichkeiten aus den Kreisen der Wiener Künstler-Damen und Herren-Graphiker,
Maler und Kunstgewerbler, ohne Betonung einer besonderen Richtung der Anschauungen
haben sich mit Beiträgen eingefunden, denen eine freundliche Aufnahme durch die wohl-
habenden Kreise lebhaft zu wünschen ist.
Die Mannigfaltigkeit des Gebotenen erleichtert die Beteiligung; die gute künstlerische
Qualität verschiedener Stücke bürgt dafür, daß hier die Wohltätigkeit auch ihren irdischen
Lohn findet. Und gerade weil einerseits die vorhandenen Arbeiten den Wünschen undBedürf-
nissen verschiedenartiger Neigungen und nicht zu anspruchsvoller Kunstfreunde andrer-
seits entgegenkommen, wird der erhoffte Erfolg wohl auch leicht erreicht werden können.
KLEINE NACHRICHTEN S0-
ÜNST IM KRIEGE. Die Ausstellungen, die um diese Zeit sonst veranstaltet
wurden, beginnen nur zögernd ihre Tätigkeit. Voran ging das Künstlerhaus, das,
dem Kriegsgenius der Stunde huldigend, eine Bildersammlung zur Schau bot, die zwar vom
Kriege handelte, der aber der Genius mangelte.
Unter diesen stoHlichen panoramahaften Darstellungen, die im Grunde Atelier-
manöver sind, und die nicht lebendiger wirken, auch wenn A. von Werner 1870 lebendig
zwischen den Schlachten dabei war, fällt malerisch angenehm die Arbeit Lünstroths auf.
Wir sahen schon im Sommer in der „Großen" ein gutes Stück von ihm: graufröstelnde
Morgenfrühe, im Feld schlafend hingewälzte Truppen, das Gewehr im Arm, darüber auf-
steigend am Horizont der wolkig in Mantelfalten stehende Wachtposten. Ausbeute der
Waffenübung des „Sommerleutnants" war das, hier begegnen nun Skizzen aus dem
gleichen Umkreis : Abendstimrnung voll schurnmrigen Graugrüns beim Marketenderwagen
mit dem runden luftschiifartigen Plan; Biwak xnit Kochfeuerlohe, die über blaurote
Soldatengruppen flackert. Lünstroth ist jetzt mit draußen in der Front, er wird nun nach
den Generalproben das ernste Spiel kennen lernen, und das möge ihm und seiner Kunst
gut bekommen.
Bei Paul Cassirer, der selbst beim freiwilligen Automobilkorps im Westen ist, sieht
man eine Auslese friedlich farbenreicher Gemälde von vier wehrhaft und feldgrau Gewor-
denen - mit dem Pinsel Sezessionisten, mit den Waffen jetzt in Reih und Glied.
Hier hängen beieinander die mit zartestem Farbensinn und seltenster Feinschmeckerei
für die Reize keramischer Flächen und schillernder StoEe gebundenen Stilleben Breyers,
der statt der bildenden Kunst jetzt mit robusterem Griff die ausbildende, also mehr ange-
wandte Kunst bei jungen Rekruten übt.
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