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falls bereits hingewiesen haben. Diese Arbeit (Abb. 8) trägt unter dem
beweglichen Sinnbilde des heiligen Lukas, das sich rückwärts am Fuße
befindet, die eingravierte Inschrift des Verfertigers: „]o Känischbaur 17 Hochen
Ried R. K. M. (Römischer Kaiserlicher Majestät) KarTler Künstler 1726." Wir
haben bereits am angegebenen Orte hervorgehoben, daß diese Arbeit den
Geist des älteren Fischer von Erlach zu atmen scheint. Da dieser Künstler
aber bereits im Jahre 1723 gestorben ist, müßte der Entwurf einige Jahre
zurückliegen. Nun wäre ja ein verspäteter Beginn oder eine mehrjährige
Arbeit nicht gerade auffällig; doch kann auch eine bloß geistige Beein-
flussung durch Fischers Art angenommen werden. Schon die ganze Anord-
nung wirkt aber wie eine Umgestaltung der Weltkugelidee von Fischers
Triumphbogenentwurfe des Jahres 1690 (Abb. 9)", einer Idee, die dort
allerdings weltlichen Zwecken dient, und könnte auch als eine Weiter-
bildung des eben erwähnten Gedankens des Mariazeller Tabernakels an-
gesehen werden.
Wie das Verhältnis zu Fischer aber auch sein mag, auf jeden Fall
glauben wir, sagen zu dürfen, daß uns in diesem Werke eine der hervor-
ragendsten Schöpfungen, nicht nur der barocken Goldschmiedekunst
erhalten ist.
Wir haben hier bloß diejenigen Werke aufgezählt, die uns urkundlich
gesichert sind. Die weitere Erforschung der schriftlichen Quellen, vielleicht
auch der glückliche Fund eines Originals mögen den Kreis der Werke
Känischbauers noch erweitern; wir begreifen aber schon nach dem bisher
Angeführten, besonders nach den gewaltigen Stücken für Mariazell, daß die
Zahl der Werke unseres Meisters nicht allzugroß zu sein brauchte, um eines
Künstlers Leben zu füllen und für andere Arbeiten nur wenig Zeit übrig
zu lassen. Sollten sich gleichwohl noch andere umfangreichere Werke als seine
Arbeit erweisen, so könnte dies unsere Bewunderung nur steigern. Immer
steht uns aber das Pazifikale der Schatzkammer vor Augen - vielleicht weil
wir es am öftesten gesehen haben, während wir die anderen Werke seit
längerer Zeit nicht wieder betrachten konnten -- und wir dürfen wohl
sagen, etwas Weicheres in der Behandlung des Goldes, etwas Ruhigeres
und zugleich Glänzenderes in der farbigen Wirkung läßt sich kaum mehr
vorstellen.
Wie weit Känischbauer nun bei seinen Goldschmiedearbeiten selbstän-
diger Entwerfer war, ist schwer festzustellen. Bei dem frühesten gesicherten
Werke, der Monstranz in Prag, haben wir bekanntlich ihn und den Juwelier
Stegner als „Inventoren" und Ausführende unterfertigt gefunden. Bei der
herrlichen Monstranz für Klosterneuburg ist dagegen urkundlich Mathias
Steinl als Entwerfender nachzuweisen. Wir dürfen also vielleicht auch für
das Pazifikale der Geistlichen Schatzkammer an einen andern Künstler als den
i' Das Werk war im früheren Katalog der Geistlichen Schatzkammer als Geschenk Papst Klemens' XI.
verzeichnet; doch bezieht sich diese Angabe nur auf die darin befindliche Reliquie.
i" Abbildung des Ganzen in des Verfassers erwähntem Aufsatze im Kunsthistorischen Jahrbuch der
k. k. Zentralkommission, I1 (1908). Tafel XVI.