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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 12)

Medaillonmalerei ist dem Jahreskreislauf entnommen, ein bis- 
her nur auf wenigen Gläsern bekannt gewordenes Genre. Auf 
den Flaschen befinden sich die 4 Jahreszeiten Frühling, Sommer, 
Herbst und Winter, auf den Gläsern die 12 Monate. 
In seiner Bestandaufnahme konnte Pazaurek nur einmal einen 
ähnlich großen Auftrag anführen: das Service für den Grafen 
Engl von Wagrein aus dem Jahre 1794. Aber das bestand im 
Jahre 1923 nur mehr aus zwei Flaschen und vier Bechern, die 
sich noch dazu in verschiedenen Händen befanden. Wir haben 
es daher bei unserem Service einem besonderen Glücksfall zu- 
zurechnen, daß dieser Bestand bis heute ungeteilt erhalten blieb. 
Die Becher haben die für Mildner-Gläser bezeichnende Normal- 
größe von 10,5 cm. Ihre Einsatzmedaillons zeigen figürliche 
Darstellungen in braun- bis ockerfarbenen Tönen vor einem 
griinblauelt Hintergrund. Die Figuren sind in der Art der Callot- 
zwerge gehalten und stellen Allegorien auf die einzelnen Mo- 
nate dar. Sie tragen alle das entsprechende Tierkreiszeichen 
an einer sichtbaren Stelle ihrer Kleidung. Das Tierkrcisbild selbst 
aber ist in einer originellen Art nicht bloß als Attribut hinzu- 
gefügt, sondern zumeist mit der Figur in einer humoristisch-dra- 
matischen Aktion verbunden. So erscheint z. B. beim Juli die 
den Monat repräsentierende Gestalt auf dem Tierkreisbild des 
Löwen sitzend, als ob sie ihn bezwingen wolle. Dies erinnert 
an die in der Barockzeit so beliebte Darstellung, wie Herkules 
den nemäischen Löwen besiegt. Gleichzeitig aber kitzelt der 
Sitzende das weit aufgerissene Maul des Löwen mit dessen 
Schwanz und macht so die für die Mildnerzeit so bezeichnende 
travestierte Umbildung des barocken Pathos deutlich. 
Diese Darstellungen sind mit Gouachfarben gemalt und mit einem 
rotgoldenen Vergißmeinnichtkranz umgeben, in dem auch der 
Monatsname in Großbuchstaben aufscheint. Der obere Rand 
des Glases ist mit einem Mundreifen von rotgoldenen Vergiß- 
meinnicht versehen und der Fußrand zeigt eng gestellten Fa- 
cettenschliff. Der Boden ist mit einem Facettenstern geschmückt. 
Innen am Mundrand ist die Signatur und das Datum in Kursiv- 
schrift angeführt: „Mildner fecit a Gutenbrunn 1795". Auf der 
silbernen Rückseite der Medaillons befinden sich Gedichte in 
deutscher Kurrentschrift, so z. B. für den Monat März: „Der 
faule Schäfersknecht legt sich recht auf den Wieder, in dessen 
Zeichen man die Sonn im Mertz erblickt, Er hat den Strohhut 
auf, und streckt der Füsse Glieder, die unt und oben sind mit 
Bändern wohl geschmückt". 
Die Flaschen mit einer Höhe von 25,5 cm gehören in die Gruppe 
der großen Flaschen, deren Höhe zwischen 20 und 27 cm liegt. 
Sie sind walzenförmig und verjüngen sich nur wenig nach unten. 
Sie haben auf Hals, Schulter und Fuß je einen kleinen Fries aus 
Olivenfacetten; außerdem sind Hals und Schulter noch mit 
Stecknadelblümchen versehen. In die Flaschenwandung sind die 
Medaillone der vier Jahreszeiten eingelassen, ihre silbernen 
Rückseiten haben aber keine Sprüche. Der Mundrand ist mit 
einem breiten rotgoldenen Vergißmeinnichtstreifen verziert. Der 
Boden zeigt einen geschliffenen Facettenstern. Alle Flaschen ha- 
ben geschliffene Stöpsel, die eine rotgoldene Blättchcnkuppe 
tragen. 
Alle Gläser und Flaschen müssen einmal im äußersten Goldrand 
der Einsatzmedaillone oben und unten den Markierungsstrich 
für die Mittelachse und daneben eine Zahl geführt haben, die 
aber heute durch die Altersschäden nicht mehr in allen Fällen 
festzustellen sind. Aber die vorhandenen Nummern lassen er- 
kennen, daß die Bezifferung von 1 bis 12 entsprechend dem 
jeweiligen Monat gereicht haben muß. Bei den Flaschen sind 
es die Ziffern 1 bis 4, analog dem Jahreszeitenkreislauf. 
Dieser vollständig erhaltene Bestand an Flaschen und Gläsern 
mag einstmals einen prächtigen Tafelschmuck abgegeben haben. 
Er zeigt, daß in thematischer Hinsicht noch zu Mildners Zeiten 
die barocke Tradition der Tafelaufsätze mit ihren Monatsdarstel- 
lungen und Jahreszeiten lebendig gewesen ist. Mildner muß im 
Jahre 1795 diese Thematik besonders interessiert haben, sind 
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Flasche mit buntem Einsalzmedaillon und Facettenschliff aus einem 
Tafelservice von Johann Joseph Mildner, Gutenbrunn 1795. 
doch die wenigen bisher bekannt gewordenen Darstellungen der 
Jahreszeiten auch im gleichen Jahre entstanden. Mildner war 
damals 31 Jahre alt und wie unser Service zeigt, im vollen Be- 
sitz aller technischen und künstlerischen Möglichkeiten .der 
Glasveredelung. In keiner anderen Schöpfung aber hat die ba- 
rocke Tradition der allegorischen Jahreskreislaufthematik in der 
Malerei und die strenge, edle, josephinische Klassizität der Glas- 
formen eine so innige und künstlerisch bewältigte Verbindung 
eingegangen wie in unserem Service. Trotz Altersschäden ver- 
schiedener Grade vermittelt das Ensemble den bcsten Eindruck 
von diesen „allerdelikatesten Schöpfungen der Glasveredlungs- 
kunst" und von dem Können ihres vornehmsten Vertreters Jo- 
hann Joseph Mildner. 
[Wie wir dem Katalog zur 542. Auktion des Wiener Dorotheums 
entnehmen. kamen die jubreszeiten Sommer mit ]uni, ]uli, August 
und Herbst mit September, Oktober und [Vavember am 3. Dezember 
1958 zur Versteigerung. Der übrige Bestand mit Winter, Dezember, 
Jänner, Februar und Frzibling mit März, April, Mai wird in der 543. 
Auktion am 13. März 1959 versteigert werden.
	        
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