226
entsprechen. Zum Schlusse möchte ich bemerken, daß ich in diesem Auf-
satz nur einige persönliche Eindrücke von Berlages Schaffen gegeben habe.
Es treten im stetigen Entwicklungsgang der Kunst wechselnde Begriffe in
den Vordergrund und es kommen zeitliche Faktoren in Betracht, wodurch
eine objektive Wertschätzung seiner Werke natürlich der Zukunft über-
lassen werden muß.
Die Persönlichkeit Berlages und seine Bedeutung für die Entwicklung
der modernen holländischen Baukunst ist jedoch von den Zeitgenossen, die
seinen Kampf zum Teil mitgemacht haben, richtiger zu beurteilen als von der
Nachwelt, die die Schwierigkeiten, welche zu überwinden waren, weniger
beachtet und im allgemeinen dem Streben gleichgültiger gegenübersteht als
den Resultaten. I '
Ich betone hier deswegen nochmals mit großer Ehrfurcht die ungeheure
Energie, Anstrengung und Ausdauer Berlages, welche die holländische Bau-
kunst aus einer toten Überlieferung wieder zum künstlerischen Abglanz des
sozialen Lebens der Zeit gemacht hat; und füge den Wunsch bei, daß seine
Schöpferkraft noch lange zugunsten der Baukunst angewendet werden
moge. '
DER BILDHAUER THOMAS SCHWANTHALER
UND SEINE ZEIT 50 VON RUDOLF GUBY-
WIEN St.
IE Renaissanceperiode der volkstümlichen deutschen
Plastik, als deren typischen Vertreter einen ich in
diesen Blättern vor kurzem den Salzburger Bild-
schnitzer Hans Waldburger publizierte," hatte in
den ersten Jahrzehnten des XVII. Jahrhunderts
ihren Höhe- und zugleich Kulminationspunkt
erreicht. In einer unmittelbar aus der deutschen
Spätgotik herauswachsenden Entwicklung hatten
die deutschen Künstler den menschlichen Körper
in seiner natürlichen Gegenständlichkeit erfaßt; sie
. hatten gelernt, wie jedes Glied zu bilden, wie es zu
bewegen ist, sie kannten den natürlichen Faltenfall des Gewandes. In dieser
hundertjährigen Entwicklungsperiode suchte nun auch der deutsche Plastiker
für seine neuen Figuren, die im Gegensatz zu den gotischen erdenschwer
und fest am Boden standen, eine neue Rahmung. Der gotische Schrein, der
"k „Kunst und Kunsthandwerk". 1913, H95! l 1x12, Seite 373 bis 394. NachErscheinen desAufsatzea stellte ich
noch eine im Besitze des Professors Brentano in Schönhühel befindliche Dreifaltigkeitsgruppe (abgebildet „Öster-
reichische Kunsttopographie", 111, Fig. 445) als Werk Wsldburgers fest. Außerdem konnte Herr Direktor Dr. Martin
Haberditzl an Hand der in dem zitierten Aufsatz publizierten gesicherten Werke des Meisten eine iiberlebens-
große Figur Mariens aus einer Verkündigungsgruppe, die sich irn Besitze der Österreichischen Staatsgalerie
befindet, als Waldburgersche Arbeit bester Qualität bestimmen.