Anblick der Hatternden zer-
knüllten Schärpe des Henkers
in Schalchen (Abb. 10) oder
jener der Michaelsiigur in Wolf-
gang (Abb. 19) erinnern wir uns
an die Gewandbehandlung der
Madonna um r53o (Abb. 2x).
Der Wulst des umgestülpten
Hemdes der heiligen Barbara
(Abb. 10) kehrt in den Hattern-
den Mantelenden des Münchner
Christophs (Abb. 20) wieder. Die
Art, wie der gotische Künstler
den Gewandbausch der Din-
goliinger Evangelisteniigur zer-
knüllt (Abb. 24}, ist den eigen-
tümlichen Zickzacklinien nahe
verwandt, welche wir fast regel-
mäßig zwischen den Beinen
der Schwanthalerschen Figuren
niederrieseln sehen (Abb. 8, 10
und 18). Und wenn wir die
eigentümliche Art sehen, wie
Meister Kreniß die Gewand-
säume wellenartig kräuselt und
bewegt (Abb. 23), dann fällt uns
sofort die ähnliche Behandlung
des Gewandsaumes ein, die wir an der Gottvaterfigur in St. Wolfgang fest-
stellen (Abb. xg). Ist denn der wirbelnd wehende Schleier Mariens, aus dessen
Falten Engelsköpfchen lugen, nicht durch und durch spätgotisch gedacht?
Wozu eine weitere Aufzählung von endlos vermehrbaren Einzelheiten! Ein
Resultat steht fest, daß nämlich der Schwanthalersche Gewandstil weder
mit italienischen noch niederländischen noch spanischen Vorbildern in
Einzelheiten etwas gemeinsam hat, sondern daß seine nächste Parallele in
dem spätgotischen Stil der niederbayrischen Schnitzer zu finden ist. „Jene
große Bewegung der bayrischen Plastik, die gleich einem Sturmwind, von
dem man nicht weiß, von wannen er kommt, in der letzten Phase der aus-
gehenden Gotik einsetzt und in mächtig ausladenden Silhouetten, kühn
ponderierten Gestalten und stürmisch fiatternden Gewändern einem hoch-
gradig gesteigerten Lebensgefühl Ausdruck verleihtß" Endet in Thomas
Schwanthaler, der dem nämlichen künstlerischen Boden entwachsen ist,
nach eineinhalb Jahrhunderten eine neue Fortsetzung. Dazwischen aber lag
Abb. 27. Gmunden, Sradtpfarrkirche, Hochaltar, Mittelgruppe
4' Georg Habich, „Hans Leinberger, der Meister des Moosburger Altars" im „Münchner jahrbuch der
bildenden Kunst", rgoü, Band l, Seite x24.